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Gesellschaft

Hier kann man Meinungen haben

Dienstag, 3. November 2015 | Text: Alida Pisu | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Wer sich in Köln weiterbilden möchte, kann zwischen vielen ganz verschiedenen Angeboten und Anbietern wählen. Eine Adresse erster Wahl ist die renommierte „Melanchthon-Akademie“, die Bildungseinrichtung des Evangelischen Stadtkirchenverbandes, die ihren Sitz am Kartäuserwall hat. Philipp Melanchthon, Namenspatron der Akademie, war, so Dr. Martin Bock, Leiter der Akademie: „einer der Freunde  und Wegbegleiter von Martin Luther. Er hat mit ihm und nach ihm in Wittenberg die Reformation vorangetrieben, war aber ganz eigenständig. Denn eigentlich war er kein Theologe, sondern, wie man es heute sagen würde, ein Geisteswissenschaftler, der den Gedanken der Reformation auf die Bildung übertragen hat. Die Selbstständigkeit jedes einzelnen Menschen, sich Dinge zu erarbeiten, zu lernen, ist nicht nur das Recht und die Pflicht für den einzelnen Menschen, sondern auch für die Gesellschaft. Bildung als Verantwortung für das Gemeinwesen, damit hat er ganz viele Dinge angeregt, die zur Neuzeit gehören, zum Humanismus, aber auch zum Protestantismus. Deshalb ist er ein wunderbarer Namenspatron für eine Bildungseinrichtung, die viele Dinge miteinander in Berührung bringt.“ Meine Südstadt sprach mit Dr. Martin Bock und mit Conny Kircher, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, über Programm und Perspektiven.

Meine Südstadt: Welche Aufgaben hat die Akademie??

Conny Kircher: Die Melanchthon-Akademie versteht sich als evangelische Stadt-Akademie, die in erster Linie Erwachsenen-Bildung über unterschiedliche Kanäle in unterschiedlichen Bereichen anbietet und das Ganze auf hohem Niveau. Unser Anspruch ist hoch. Wir bearbeiten insbesondere protestantische Themen im Dialog mit anderen Konfessionen und Religionen. Darüber hinaus haben wir ein vielschichtiges Angebot im kulturellen und politischen Bereich.

Zwei Halbjahresprogramme im Jahr, gibt es da Themen, die sich immer wieder durchziehen??

Dr. Martin Bock: Ein Schwerpunkt ist die sogenannte Reformationsdekade. Seit 2009 bringt die EKD (Anmerkung d. Redaktion: Evangelische Kirche Deutschland) zehn Jahre der Auseinandersetzung mit den ganzen Aspekten von Reformation auf den Weg. Das haben wir jedes Jahr „bedient“, mit bestimmten Themen und Fragestellungen. Dann ein gesellschaftliches Thema, nämlich Europa, das in unterschiedlichen Bereichen unseres Programmes erscheint. Aktuell bieten wir natürlich sehr viel zum Thema Flüchtlinge an. Das sind nicht nur Veranstaltungen, sondern wir sind auch Mitkoordinator des Netzwerkes „Willkommenskultur“. Spiritualität und Ganzheitlichkeit ist ebenso ein roter Faden. Hier geht es nicht nur durch den Kopf, es gibt auch besondere Zugangsweisen wie meditativen Tanz oder „Sacred Harp“, eine spirituelle Form des Singens.?

Ein weiterer roter Faden: Wir geben Raum für den Blick, dass Dinge immer auch eine andere Seite haben. Über mehrere Jahre haben wir Angebote zur Frage von Wirtschaftsordnungen gemacht. Während der Wirtschaftskrise haben wir nicht nur fachkundige Referenten zu uns eingeladen, sondern parallel die Frage der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen gestellt. Einer Gruppe in Köln, die das verfolgt hat, haben wir viel Spielraum gegeben. So gibt es immer wieder Dinge und Fragestellungen, mit denen man nicht „den Saal füllt“, aber Bildungsarbeit ist auch kein „Geschäft“. Das hat nichts damit zu tun, dass unsere Arbeit hier zu refinanzieren ist, sondern um solche Nischen auch zu füllen. Und deshalb finde ich es ganz wichtig, dass die evangelische Kirche sich beteiligt.

Stichwort evangelisch: wie macht sich das für die Besucher bemerkbar?

Conny Kircher: Die Akademie hat nicht vor, in irgendeiner Form im evangelischen Sinne zu missionieren. Die Scheu, die der Kirche gegenwärtig entgegengebracht wird, gilt es abzubauen. Unser Angebot richtet sich an alle Menschen dieser Stadt. Wir verstehen uns als Stadtakademie mit einem reichen Angebot und offen für alle, ungeachtet jeglicher Konfession oder Herkunft. Wir geben Raum und Angebot, um miteinander ins Gespräch zu kommen, zu erfahren, zu lernen, Zeit zu verbringen und zu leben.

Sie haben pro Jahr rund 10.000 Besucher, für die das Programm mit insgesamt 600 Veranstaltungen breit gefächert ist. Neben Theologie stehen Psychologie, Kommunikation und…??

Dr. Martin Bock: Wir bieten auch berufsbegleitende Seminare an bzgl. Stress-Management, Gesundheitsbildung etc. Damit verdienen wir natürlich auch Geld, wir können nicht alles subventionieren, dennoch: unsere Seminare und Bildungsurlaube sind immer noch sehr preiswert.?

Conny Kircher: Unser Angebot ist vielfach darauf ausgerichtet, dass der/die TeilnehmerInnen unserer Seminare aktiven Nutzen davon haben. Viele unserer Angebote sind zertifiziert, der/die TeilnehmerInnen können sowohl im beruflichen als auch privaten Bereich davon profitieren. Die Akademie versteht sich als Bildungseinrichtung, in der nicht nur konsumiert und zugehört werden soll, sondern aktives Miteinander und Lernen gefördert wird. In diesem Zusammenhang sind auch unsere Bildungsurlaube von besonderer Bedeutung.

Wer kommt als Besucher an die Akademie??

Dr. Martin Bock: Wir erreichen unterschiedliche Menschen. In den Bereichen der beruflichen, politischen oder Medienbildung sowie im ehrenamtlichen Bereich ist unser Publikum ab 25 Jahren aufwärts. Diese Gruppe besucht hauptsächlich unsere Seminare und Kurse am Abend oder an Wochenenden. Hinzu kommt eine große Gruppe älterer Menschen, die unser Angebot gern wahrnehmen, sie treffen sich auch schon tagsüber in der Akademie. Wir befinden uns derzeit auf dem Weg, unser Angebot auf eine noch breitere Zielgruppe auszurichten und zu modifizieren. Ein bisschen weniger Wissenschaftlichkeit darf dabei zukünftig ruhig eine Rolle spielen! Dennoch bleiben unsere fundierten „Exoten-Angebote“ weiterhin fester Bestandteil des Programms.

Gibt es Menschen, die über Jahre hinweg, immer wieder hier Teilnehmer sind??

Conny Kircher: Ja, die gibt es, auf jeden Fall. Wir haben viele „Stammkunden“ die regelmäßig unser Angebot wahrnehmen. Beim Sommerfest waren unter den vielen Gästen etliche, die sich seit Jahren kennen, die gemeinsam Seminare besucht haben und uns die Treue halten. Hier tauschte man sich aus, „wer geht wohin?“ und verabredete sich für’s neue Semester. Es ist nicht nur die angenehm freundliche Atmosphäre in der Akademie, es sind auch die vielen hochkarätigen Dozenten, die offen für den Diskurs sind. Nach wie vor gilt eine wichtige Grundhaltung der Akademie: „Hier kann man Meinungen haben, egal welcher Art. Wir sind offen für politisch-kritische Haltungen und geben Raum für Austausch und Gespräch!“

Herr Dr. Bock, Frau Kircher, vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Melanchthon-Akademie

Kartäuserwall 24B, 50678 Köln?

www.melanchthon-akademie.de?

 

Text: Alida Pisu

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