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Gesellschaft

Lasst uns hören vom Jospel-Chor, von Fladenbrot und Männern in Röcken

Donnerstag, 24. Mai 2018 | Text: Evelyn Maria Denda | Bild: Tim Hildebrandt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

„Wenn sich Menschen auf eine Reise begeben, dann machen sie die Scheuklappen auf und sind aufnahmefähig für Neues. So eine Situation wollen wir schaffen, dann haben wir gewonnen und können was rüberbringen. Das Wesentliche ist: Die menschliche Begegnung“ so Thomas Bönig, Gründer des seit knapp zehn Jahren alten „Kölner Kulturklüngel“. Die Meine Südstadt-Autoren Evelyn und Tim haben an einer ‚Weltreise durch die Südstadt’ teilgenommen – eine spezielle Tour, die nur einmal im Jahr von Thomas angeboten wird.

„Kurz&Weltreise“ durch die Südstadt

Samstagnachmittag, los geht es in der Severinstraße. In Thomas Bönigs bunt gemischter „Reisegruppe“, sind viele begeisterte Stammgäste. Oft bestünden die Gruppen aus Kölner*Innen, die ihre eigene Stadt anders mal kennenlernen wollten, erzählt Bönig, und oft seien es auch Gäste aus national-gemischten Familien. Und eben auch Menschen, die keine andere Möglichkeit zum Reisen hätten, berichtet er weiter. Jede dieser „Reisen“ löse ein Verhalten aus, das er auch aus seiner jahrelangen Erfahrung als Reiseleiter in Asien kenne: „Die Gäste machen Fotos, zeigen die Fotos zu Hause und erzählen begeistert von ihren Abenteuern im exotischen Köln.“ Mitmachen ist bei dieser Art des Reisens angesagter als nur Vorträge über ‚andere‘ Kulturen zu hören. „Besonders toll ist es, wenn sich daraus Beziehungen ergeben, die die Menschen richtig in Kontakt miteinander bringen “, weiß Thomas Bönig. Die erste Station hält für uns als Mitreisende auch direkt die erste Herausforderung bereit: ein Besuch in der Gospelschule ‚Na Mouléma‘. Hatten wir dort einen Gospelchor erwartet, der für uns singt, sind stattdessen wir selbst der Gospelchor, unter Leitung von Marie Enganemben. Oder: „Jospelchor“, wie sie kölsch gefärbt sagt. ‚Na Mouléma‘ heiße in der Bantu-Sprache ihrer Vorfahren „mit dem Herzen“ und sei auch ihre eigene Lebens- und Arbeitshaltung. „Die drückt sich im Gospel am besten aus “, so Marie.

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Sie gibt uns einen kurzen Einblick in die Geschichte des Gospels, der für die Sklaven früher eine Art Sprachcode gewesen sei, denn sie durften während ihrer Arbeit auf Plantagen nicht miteinander sprechen. „Magisch“ sei diese Soul-Musik, weil man am Gesang „die Gefühle einer Person spüre“. Wir schmettern unter Maries mitreißender Anleitung ein Medley aus drei bekannten Gospels.

Eine Begegnung mit dem Drachengott

In der beanchbarten Japanisch-Deutschen Kulturwerkstatt Tenri im Alten Pfandhaus machen wir es und dann als Zuschauer mal bequem und lassen und auf eine japanische Tanzperformance ein – Musik, Tanz und Theater fließen zu einer bunten, sehr stimmigen Mischung zusammen. Tenri ist eine religiöse Gemeinschaft, wobei der Leiter des Kulturzentrums, Yoshiro Shimizu, ein weltlicher Mönch ist, der den Schwerpunkt des Zentrums nicht auf das spirituelle Missionieren, sondern auf Kunst und Kultur legt. Die Kulturwerkstatt gehört neben einem Kulturzentrum in New York und einem in Paris zu den einzigen drei ihrer Art außerhalb Japans. Tausend Jahre alte traditionelle Musik trifft in der auf Volksmusik mit aktuellen Einflüssen. Die teils atonalen Klänge wirken im ersten Moment verstörend, gehen aber dann im Gesamtkunstwerk auf. Das „Beobachten des Schrillen ist der erste Schritt zum Verständnis“, hatte Thomas uns schon mit einem Lächeln vorgewarnt. ‚Einfach drauf einlassen‘ sei hier das Gebot, wie eine echte Weltreise sei auch unsere einfach nicht ohne Neugier, Toleranz, Flexibilität.“ möglich, so der Reiseleiter.

Die Performance zu der phantasievollen Legende des Drachengotts, in der ein Mann und eine Frau in traditionellen japanischen Gewändern tanzen und mit typischen Streich- und Blasinstrumenten musizieren, zieht uns voll in den Bann. Besonders die Choreographie des Fächertanzes und das imposante Taiko-Trommelspiel reißen uns ebenso mit wie die raumfüllende Stimme des Darstellers, die zwischen Gesang, Monolog und Ansprache wechselt. Auch wenn man der Sprache nicht mächtig ist, kann man mit Hilfe von ausgehändigten Übersetzungen der Handlung perfekt folgen und in die exotische Gedankenwelt eintauchen.

Die Kunst der indonesischen Batik

Rudolf Smend, der weltweit renommierteste Batiksammler, ist typisch für das alternative Künstlermilieu der Südstadt, bekannt über die Grenzen Kölns und Deutschlands hinaus. Die Idee, mit Batik ein Geschäft aufzuziehen, entstand bei Smend 1972, mit seiner Freundin am Strand von Bali, als „die Sonne unterging und alles machbar erschien,“ erzählt er, der auch noch mit Mitte Siebzig wie ein abenteuerlustiger Reisender wirkt. Sein privates Batikmuseum und die Galerie 0 sind unsere nächste Reisetappe. Hier stellt er Werke verschiedener – auch internationaler – Textilkünstler aus, kooperiert eng mit der Kölner Deutsch-Indonesischen Gesellschaft, die fast so alt ist, wie er selbst. Smend liefert uns nicht nur lustige und spannende Reiseanekdoten zu seiner Entdeckung der indonesischen Batik, die seit 2009 UNESCO Weltkulturerbe ist. Er zelebriert mit Thomas und einer Teilnehmerin der Tour eine Modeperformance. Sie führen uns das richtige Wickeln und Tragen der Batiktücher vor.
„Die meisten Männer auf der Welt tragen einen Rock“, erzählt Thomas beiläufig. Der Batikrock, bei dem man nie genau weiß, wo vorne und hinten ist, besteht aus einer Stoffbahn, die zu einer Röhre zusammengenäht wird. Ähnlich wie die Schleife beim bayerischen Dirndl trägt man die Streifen auf dem Batikrock je nach Familienstand jeweils an einer anderen Stelle. Thomas demonstriert uns die regional unterschiedlichen Wickeltechniken. Da das Batiktuch vielfach einsetzbar ist, egal ob als Schlafsack, Kleidungsstück oder Sonnenschutz, ist es auch für Smend ein absolutes Must-Have auf allen Reisen. In seinem Museum erklärt er uns die aufwändigen Produktionsschritte bis zur vollständigen Erstellung einer Batik. Im Glaskasten sind Batikstempel und Pinsel, das Archiv ist voller Plakate und Artikel und im Hinterhof steht eine Skulptur Hindu-Gottheit Ganesha. Als Souvenir bekommen wir am Schluss alle einen Tjanting, das wichtigste Instrument beim kunstvollen Batiken.

Ein Blick hinter den Klüngel bei Injera und Sambuca

Unserer letzte Station ist das eritreische Restaurant Hdmona, und Thomas gibt mir bei leckeren Gerichten mit Injera, dem afrikanischen Fladenbrot, einen Einblick in die Geschichte seines Kulturklüngels. Geschmack am kulturellen Austausch habe er während seiner Mitarbeit in der interkulturellen Jugendbegegnung in Israel und Palästina gefunden. Zurück in Deutschland entwickelte er bei der Organisation Grenzgang, mit der bis heute eng zusammenarbeitet, kulturelle Rahmenprogramme mit Tanz, Essen und lebhaftem Austausch. Besonders begeistern Thomas Bönig die Subkulturen, die Little Indias und Chinatowns in Metropolen, die einen festen Platz auf seinen Reisen haben. Auch in Thomas damaligem Veedel in Köln, hinter dem Neumarkt, entwickelte sich zu der Zeit mehr und mehr ein eigenes indisches Viertel. Thomas nahm Kontakt zu den Menschen auf und brachte seine Idee an den Start – die erste interkulturelle Stadtführung nach Indien in Köln. Daran, dass sie mehr als sieben Stunden dauerte, zeigte sich das große Interesse der Menschen an ‚anderen‘ Kulturen in ihrer Stadt. So folgten mit jeweils einem halben Jahr Pause die erste Tour nach Afrika, nach Lateinamerika und nach Japan in Köln. Und als ein Journalist im Reiseteil einer großen deutschen Zeitung über diese „Weltreise durch die eigene Stadt“ berichtete, wandten sich immer mehr Menschen an Thomas und er musste sich u.a. mit einem Büro außerhalb seiner WG weiter professionalisieren.

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Auf der Suche nach versteckten Geschichten

Das Kulturklüngel-Team rund um Bönig ist international. Alle verstehen sich selbst und ihre Aufgabe als Türöffner. „Wir machen den Erstkontakt, zum Beispiel zum indischen Yogalehrer, der bengalischen Schneiderin oder der kubanischen Zigarrenmanufaktur. Eine Begegnung mit den Tour-Teilnehmer*Innen kann auch eine Herausforderung sein, der ich mich gerne zusammen mit der Gruppe stelle“ erklärt Thomas Bönig, denn „viele Menschen können sich nicht vorstellen, was genau hinter einer Tür verborgen sein könnte.“ Zig mal habe er schon von seinen Gästen gehört: „Ich bin hier schon so oft vorbeigelaufen und hätte nie gedacht, dass es hier so etwas Spannendes/Sympathisches/Beeindruckendes/Leckereres gibt…“ Die Möglichkeit zu genau solchen Entdeckungen sei Ziel der Events, sagt er.

Text: Evelyn Maria Denda

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