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Gesellschaft Verkehr

Mit Schweiß und Spucke – Die Faradgang im Einsatz

Mittwoch, 29. Juni 2016 | Text: Lisa Stiemer | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Das Fahrrad ist ein „massentaugliches Individualverkehrsmittel“, so definiert es Wikipedia. Von den einen mehr, von den anderen weniger genutzt, gehört das Rad zur Grundausstattung deutscher Haushalte – so wie das Radio, der Fernseher, das Handy.

Für Menschen ohne Fahrrad ist deshalb das Glück umso größer, wenn solch ein Fortbewegungsmittel endlich in Aussicht ist. Und so kommt es denn auch, dass die freie Fläche vor einem kleinen Container – der Werkstatt der Faradgang – noch weit vor Beginn des Schraubertages voller Menschen ist. Geduldig warten sie darauf, ihren Namen in den Los-Topf werfen zu können, denn: immer sind es zu viele, um alle von den Helfern der Faradgang bedient zu werden.

Aber von vorn: Zweimal im Monat finden im NeuLand-Gemeinschaftsgarten Fahrradbegeisterte und die, die unbedingt eins brauchen, zusammen. Die Faradgang, ein Berlin-Kölner Kollektiv, repariert dann Drahtesel-„Leichen“ gemeinsam mit denen, die ein Rad wollen. Die sogenannten Schraubertage gibt es seit 2015 auf NeuLand. Sozial benachteiligte Menschen, darunter viele Geflüchtete, nehmen das Angebot begeistert wahr.

 

Heute sind viele der Wartenden Kinder. Der Himmel hängt voller dunkler Wolken und beständig tröpfelt es, doch die Kleinen sind davon unbeeindruckt. Mit Begeisterung folgen sie Luitwin auf Schritt und Tritt. Er ist gerade dabei, alles für den Tag vorzubereiten. 11 Uhr – noch eine Stunde bis es losgeht. Luitwin ist einer der insgesamt 15 Vereinsmitglieder und seit anderthalb Jahren dabei.

Begonnen hat alles aber schon früher, 2012 nämlich, mit den Tschärity Flohmärkten. Von deren Erlös wurden gemeinnützige Projekte rund um das Fahrrad realisiert. Fahrrad = Farad? Das kam so:  einer der Gründer, ein Brasilianer fragte sich immer schon, warum Fahrrad so kompliziert geschrieben wird. Er erfand daraufhin den vereinfachten Namen, und 2013 spendete der Verein mehrere Fahrräder an die CPOC Foundation in Kambodscha. Diese Organisation hilft armen und verwaisten Kindern mit Bildung, Unterkunft und materiellen Gütern. Die Spenden der Fahrräder kamen dort gut an.

Aber auch vor der eigenen Haustür wollte der Verein Bedürftigen helfen. Die Gang ist seitdem in Köln und Berlin vertreten und hat nach dem Motto „Mobilität für jeden“ schon viele Menschen genau dazu verholfen. Die Schraubersamstage sind ein Teil der Arbeit der Gang. Ziel ist, jeder Person, die ein Fahrrad besitzen möchte, dies auch zu ermöglichen. So sollen einerseits  Mobilität und Lebensqualität gesteigert, andererseits auch die Gemeinschaft gefördert werden. Das Projekt finanziert sich ausschließlich über Spenden. Immer wieder erhält der Verein reparaturbedürftige Räder für sein Projekt. Auch Dorothea hat den Weg im Regen auf sich genommen. Ziemlich durchnässt rettet sie sich unter den Pavillon. Es ist bereits das dritte Rad, dass sie der Gang spendet.

Einen Engpass hat der Verein aber dennoch, es fehlen ausreichend Helfer. Hier ist jeder gern gesehen, der Leidenschaft für`s Rad mitbringt oder einfach gern helfen möchte. Neben der Arbeit am Zweirad, entwickelten sich in der Zusammenarbeit auch gute Freundschaften unter den Helfern und Mitgliedern. Im Sommer und bei guter Wetterlage grillen die Mitglieder der Faradgang nach einem anstrengenden Schraubertag  schon mal zusammen, oder lassen den Tag bei einem Bier ausklingen. Sonntags machen sie dann oft gemeinsam Radtouren.

 

Luitwin ist immer noch dabei, Material, Werkzeug und Ersatzteile aus dem vollgestopften Container zusammenzutragen. Pavillons werden aufgebaut, Tische zusammengeschoben. Er wird jetzt von einigen weiteren Vereinsmitgliedern und Helfern unterstützt, die so nach und nach auf dem Gelände eintreffen. Bernd z.B. ist seit letztem Sommer dabei. Er hatte ein für ihn viel zu kleines Fahrrad übrig und suchte nach einer Vereinigung, an die er das Rad sinnvoll spenden konnte. Dabei ist er auf die Faradgang gestoßen. Mit seinem Wissen und eigenem Interesse am Fahrrad hat es ihn sofort gepackt: „Da ich einmal im Rausch war, hab ich mich dazu gesetzt“, beschreibt er das erste Treffen mit dem Verein. Mittlerweile ist Bernd selbst Vereinsmitglied und mit seiner Erfahrung eine wertvolle Bereicherung für die Gang. „Wir sind alles schräge Vögel, aber kommen gut miteinander aus.“, beschreibt er die Mitglieder des Vereins.

Fast 12 Uhr. Die Namen aller Wartenden wurden aufgenommen und in einen Eimer gepackt, der als Los-Topf dient. Mittlerweile hat der Regen zugenommen. Die Menschen stehen dicht gedrängt unter den wenigen Pavillons. Der Regen ist so stark, dass die Überdachungen immer wieder durch die großen Wassermengen nachgeben und neu aufgerichtet werden müssen. Der Boden ein einziger Matsch und die kleinen Pfützen immer größer werdende Tümpel.

12 Uhr. Die Glücksfee, Du (ausgesprochen: Ju), Vereinsmitglied und Mitgründerin, darf die Lose ziehen. Jubel auf der Seite einen Seite, Enttäuschung auf der anderen. Ein Mann stapft unzufrieden davon. Er wurde schon zum dritten Mal nicht ausgewählt. Der Zufall ist eben gnadenlos. Und doch scheint diese Vorgehensweise die Fairste zu sein. Noch bis vor kurzem galt: wer zuerst kommt, malt zuerst. Das hatte dann zur Folge, dass sich schon morgens 7 Uhr die ersten Gäste einfanden. Ganz abgesehen davon, dass niemand mehr die Reihenfolge nachvollziehen konnte. Die Faradgang lässt seitdem den Zufall entscheiden. Aber auch für die, die dieses Mal leer ausgehen, gibt es am 02.07.2016 beim nächsten Schraubertag wieder eine Chance.

 

In Zweierteams reparieren nun jeweils ein Helfer gemeinsam mit einer ausgelosten Person ein Fahrrad. Es wird geputzt, getauscht, ausgebessert und aufgepumpt. Madinoms Augen strahlen, als er sein fertig repariertes Fahrrad ausgehändigt bekommt. Nur putzen muss er noch. Er ist 12 Jahre alt und kam vor einigen Monaten mit seiner Mutter und seiner Schwester aus Tadschikistan nach Deutschland. Er geht hier zur Schule und freut sich deshalb sehr, den Schulweg nun mit dem Fahrrad zurückzulegen zu können.

Hanin dagegen hatte heute kein Glück. Sie kommt aus dem Irak, ist 13 Jahre alt und auch sie geht hier zur Schule. Ihr Deutsch ist schon sehr gut. Aber die Schule, die mag sie nicht, erzählt sie mir. Irgendwie sucht sie nach Worten, findet nicht die richtigen und sagt schließlich: „Ich weiß nicht, was mit den anderen Kindern ist“ und meint wohl, sie weiß nicht, was die anderen Kinder gegen sie haben. Hanin wirkt trotzdem fröhlich und sehr selbstbewusst. Sie erzählt, dass sie nun die Schule wechselt und dass sie sich auf die neue Schule freut.

Madinoms neues Fahrrad glänzt. Er erhält noch seinen Fahrradausweis mit Rahmennummer und einen schicken Faradgang-Aufkleber für sein Rad.
Auf dem Heimweg stehe ich frierend an der Haltestelle. Der Regen hat immer noch nicht nachgelassen und gegenüber, auf dem anderen Bahnsteig, sehe ich Madinom. Vom Regen völlig unbeeindruckt hat er nur Augen für sein neues Fahrrad. Er entdeckt mich, ich winke ihm und er strahlt über das ganze Gesicht voller Freude über den heutigen Tag.

Nächster Schraubersamstag: 02.07.2016 um 12 Uhr

Bei Interesse an Spenden und Mithilfe kontaktieren Sie bitte:
mail@faradgang.de

Mehr im Netz
www.faradgang.de
www.faradgang.de/projekt/koln-schraubertage-termine-2016

 

Text: Lisa Stiemer

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