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Kultur

„Pressefreiheit wird überschätzt“

Mittwoch, 22. März 2017 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Globalisierungs-Kritiker Jean Ziegler im Gespräch anlässlich seines dokumentarschen Filmporträts.

Jean Ziegler muss man halbwegs aufgeweckten Zeitgenossen, die jemals über den kölschen Tellerrand hinausgeschaut haben, eigentlich nicht mehr groß vorstellen. Der Schweizer Soziologe, der im kommenden Monat 83 wird, ist eine Ikone der Globalisierung-Kritik und ein unermüdlicher Kämpfer gegen das Unrecht in der Welt. Er verdingte sich als Student in den 50er Jahren als Chauffeur von Che Guevara während einer Tagung in Genf, lehrte an Universitäten in Genf und Paris, war mit Sartre befreundet und unterstütze Befreiungsbewegungen auf so ziemlch allen Kontinenten. Mehr als 20 Jahre lang kämpfte er als Abgeordneter der Sozialdemokraten im eidgenössischen Nationalrat gegen das Schweizer Banken-System und setzte sich in den letzten Jahren als Berichterstatter in verschiedenen Gremien der UNO gegen die Spätfolgen des Kolonialmus ein. „Jedes verhungerte Kind ist ein ermordetes Kind“, heißt einer seiner Leitsätze. In seinem dokumentarischen Porträt „Jean Ziegler – Der Optimismus des Willens“ zeichnet der mehrfach preisgekrönte Filmemacher Nicolas Wadimoff ebenso sympathisches wie distanziertes Potrträt von Jean Ziegler, in dem vor allem dessen charmante Frau Erika mit ihren ebenso knappen wie blitzgescheiten Kommentaren für ein wohltuendes Korrektiv sorgt. Reinhard Lüke sprach mit Jean Ziegler und Nicolas Wadimoff anlässlich der Deutschland-Premiere des Films am 18. März 2017 im Odeon Kino.

Meine Südstadt: Herr Ziegler, haben Sie Che Guevara inzwischen verziehen, dass er sie vor 50 Jahren doch nicht aus Genf mit in den bewaffneten Kampf nehmen wollte?
Jean Ziegler (JZ): Natürlich. Schließlich hat er mir dadurch vermutlich das Leben gerettet. Ich als Dschungelkämpfer mit der Waffe in der Hand – das hätte ich nicht überlebt. Drum hab´ ich seinen Rat befolgt und als Schweizer Bourgois meinen Kampf auf den Gebieten geführt, auf denen ich mich auskenne. Aber Che ist in meinem Arbeitszimmer ja immer bei mir.

 


Nicolas Wadimoff im ODEON Kino

Nicolas Wadimoff, hatten Sie nach Ihrem Studium bei Jean Ziegler über all die Jahrezehnte Kontakt zu ihm?
Nicolas Wadimoff (NW): Nein, überhaupt nicht, obwohl ich seine Aktivitäten natürlich verfolgt habe. Ich hatte aber viel mit seinem Sohn, dem Schauspieler, Autor und Regisseur Dominique Ziegler, zu tun. Vor ein paar Jahren haben wir mit unseren Familien zusammen Urlaub gemacht und da kam Jean für ein paar Tage vorbei. Wir hatten eine sehr entspannte Zeit und aus dieser (Wieder-)Begegnung ist die Idee für den Film entstanden.

Bestand in der persönlichen Nähe zum Porträtierten nicht auch eine Gefahr? Schließlich ist Jean Ziegler auch ein versierter Medien-Profi.
NW.: Natürlich. Ich wollte ihm auf keinen Fall einen Roten Teppich ausrollen und filmische Denkmalspflege betreiben. Auf der anderen Seite hege ich natürlich Sympathien für ihn und hatte kein Interesse daran, ihn in die Pfanne zu hauen. Auch wenn ich nicht all seine Ansichten teile. Hier einen Weg zwischen Distanz und Nähe zu finden, war eine schwierige Gratwanderung.

Haben Sie ihm von Beginn an vertraut, Herr Ziegler?
JZ.: Ich hatte keine Wahl. Scherz beiseite. Ich hatte Nicolas ja durch unsere Gespräche näher kennengelernt und vor allem kannte ich seine anderen Filme, die sehr gut finde. Von daher habe ich ihm vertraut. Auch wenn es mir schwerfällt, mich in ein Projekt zu begeben, das ich nicht beeinflussen kann.

War der Trip nach Kuba von Beginn an geplant?
NW.: Neben seiner Biografie, seinen politischen Ansichten und seiner Arbeit für die UNO wollte ich unbedingt ein Element im Film haben, in dem ich seine Überzeugungen mit der Wirklichkeit konfrontieren konnte. Und bei Jeans bekanntermaßen ungebrochener Begeisterung für Kuba drängte sich diese Reise geradezu auf.

Und wie sehen Sie die Reise rückblickend, Herr Ziegler?
JZ.: Nicolas ist eine Anarchist. Er versteht nichts von der Langfristigkeit revolutionärer Prozesse. (Nicolas Wadimoff lächelt nachsichtig). Natürlich hat es in Kuba im Laufe der Jahrzehnte auch Brüche gegeben, aber nach wie vor gibt es dort weder Hunger noch Analphabetismus und zudem ein hervorragendes, kostenloses Gesundheitswesen. Und das trotz der mehr als 50jährigen Blockade durch die USA. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in Kuba heute exakt so hoch wie in der Schweiz. Vor diesem Hintergrund treten für mich Elemente wie Pressefreiheit und Demokratie in den Hintergrund. Würde man in Kuba jetzt eine totale Freiheit der Medien zulassen, würden doch sofort amerikanische Zeitungen und Fernsehsender das Land mit ihrer politischen Propaganda und den Konsumverheißungen des Kapitalismus überziehen.

Das heißt, Sie halten die Kubaner ideologisch doch nicht für so gefestigt, dass sie diesen Verlockungen widerstehen zu können?
JZ.: Natürlich nicht. Die Alten vielleicht, aber bei jüngeren Generationen bin ich mir da nicht so sicher. Leider.

Donald Trump wird die Kuba-Blockade kaum lockern…
JZ.: Natürlich ist der Mann eine Katastrophe. Auf der anderen Seite hat sich das imperialistische US-System durch diese Fratze selbst demaskiert. Was man ja durchaus begrüßen kann. Aber er hat dieses Land auch gänzlich gespalten. Es inzwischen mehr Gegner als Befürworter seiner Politik. Ich denke nicht, dass Donald Trump eine komplette Amtszeit überstehen wird.

Aber auch in Europa sehen wir uns doch zunehmend mit Nationalismus und Populismus konfrontiert…
JZ.: Absolut. Auch wenn mir der zunehmende Widerstand in einigen Teilen der Bevölkerung gegen den Raubtierkapitalismus Anlass zur Hoffnung gibt, kann die Geschichte in Europa auch ganz anders ausgehen. Wenn eine rassistische Nationalistin wie Marine Le Pen die Wahlen in Frankreich gewinnen sollte, kann das der Auslöser für einen Flächenbrand werden, in dessen Verlauf sich mehrere europäische Demokratien selbst abschaffen. Ganz demokratisch.  

 

Vielen Dank für das gespräch.

Reim Rausgehen hab´ ich Jean Ziegler noch gefragt, welches Leiden ihn in Havanna eigentlich ins Krankenhaus gebracht hat. Im Film wird das nicht ganz klar. „Ach, so ein dummer Virus“, sagte er. „Nichts Schlimmes. Aber weil ich eine Bluttranfusion bekommen habe, fließt jetzt echt revolutionäres Blut in meinen Adern. Was mich wirklich freut.“ Dazu lächelte er und zwinkerte mit einem Auge. Ein Scherz? Gewiss. Vielleicht aber nicht nur.

 

 

Mehr dazu
„Jean Ziegler -Der Optimismus des Willens“, ab 23.03.2017 in den Kinos.
 

Text: Reinhard Lüke

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