×
In eigener Sache

Dir gefällt unsere Arbeit?

meinesuedstadt.de finanziert sich durch Partnerprofile und Werbung. Beide Einnahmequellen sind in den letzten Monaten stark zurückgegangen.
Solltest Du unsere unabhängige Berichterstattung schätzen, kannst Du uns mit einer kleinen Spende unterstützen.

Paypal - danke@meinesuedstadt.de

Aufgeschnappt: DPSG sucht Personal für Tagungs- und Gästehaus +++ Kartause sucht sozialpädagogische Fachkraft (w/m/d) in Vollzeit +++ Das Mahal wird 2! +++

Kultur

Sieh mich an!

Mittwoch, 28. Januar 2015 | Text: Jasmin Klein | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Zur Vernissage ‚Face to Face’ in den Kunsträumen der Wormser Straße kamen statt der erwarteten 150 Besucher mehr als 400. Die Werkschau der Arbeiten aus den Jahren 1990-2014 fasziniert und polarisiert. Was macht die Arbeit von Bettina Flitner aus?

Wir treffen uns in den hohen und hellen Räumen der Michael Horbach Stiftung. Hier stehen und hängen über 100 Fotos von Flitner. Drei Monate lang, bis zum 18. April, werden hier zehn ihrer meist diskutierten Fotoessays gezeigt.

Horbach und Flitner kennen sich seit Jahren: 2005 erhielt sie von ihm für ihre Arbeit den Fotopreis der Stiftung. Ihr gemeinsamer Freund, Kurator Gérard A. Goodrow, brachte sie nun, zehn Jahre später, zu dieser Retrospektive wieder zusammen. In dieser Ausstellung konzentrierte sich Kurator Goodrow auf die harten, politischen Essays.

Bettina Flitner kommt pünktlich und nimmt sich Zeit. Die kluge und sympathische Frau führt uns durch die Ausstellungsräume. Zu dem Interview setzen wir uns in den Raum, in dem während der Öffnungszeiten auch drei Filme von ihr gezeigt werden.

Meine Südstadt: Wie kommen Sie auf Ihre Ideen? Wie war das zum Beispiel bei dem Projekt ‚Freier’?
Bettina Flitner: Es war so, dass ich mich mit Freunden über Prostitution unterhalten habe. Dabei fiel mir auf, dass wir immer von den Prostituierten sprechen, aber nie von den Freiern. Wer geht denn da eigentlich hin? Und warum geht er da hin? Aus einigen TV-Talkshows kannte ich den Bordellbesitzer Jürgen Rudloff aus Stuttgart. Er war ja sehr an Öffentlichkeit interessiert, und so nahm ich zu ihm Kontakt auf und fragte ihn, ob ich für einige Tage in seinem Bordell Freier befragen und fotografieren dürfte. Zu meiner Überraschung war er sofort einverstanden, weil er es als Werbung für sein Haus sah. Er meinte aber, dass sicher kaum Deutsche mitmachen würden, sondern eher ausländische Freier. Interessanterweise war es aber genau umgekehrt. In den meisten Ländern ist Prostitution verpönt und peinlich, und kein einziger Ausländer war bereit, sich fotografieren zu lassen. Dafür etliche Deutsche, weil es bei uns schon so normal ist. Ich kam dann mit den Männern ins Gespräch. Es dauerte eine Weile, bis sich der erste zu einem Foto bereit erklärte, aber dann trauten sich immer mehr.
Ich führte lange Gespräche mit ihnen und fotografierte sie auf den Bordellbetten. Und irgendwann versteht man in so einer Reportage ja dann einfach alles….
Nach einigen Tagen musste ich mich rausziehen und bin in ein Stuttgarter Stadtcafé gegangen, in dem sich Straßenprostituierte treffen und beraten lassen. Ich habe mich mit ihnen unterhalten und mir die andere Seite vergegenwärtigt. Das brauchte ich, um mich wieder zu erden. Dann konnte ich weitermachen.

Ist das eine Art Stockholm-Syndrom?*
Bei jeder Arbeit gibt es den Moment, in dem man komplett in die Welt der Fotografierten eingetaucht ist, der äußeren, wie der inneren Welt. Das passierte auch mit den Rechten. Man sieht irgendwann die Welt mit ihren Augen. Dann weiß ich wieder: ‚Hier ist er, der Moment.’ Früher hat mich das irritiert, heute ist mir das vertraut.

Wie schafft man es, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, damit die sich so öffnen?
Es ist wichtig, echtes Interesse an den Menschen zu haben. Natürlich gehe ich in jede Arbeit grundsätzlich mit einer Haltung. Ich persönlich möchte keine Prostitution, weil ich es für ein fieses System der Ausbeutung halte. Aber trotzdem möchte ich verstehen, warum die Männer da hin gehen, und wie sie darüber denken.

Ihre Arbeit unterscheidet sich von der anderer Fotografen: Sie kombinieren das Foto mit einigen Zeilen, die den/die Fotografierte/n zitieren.
Bei der Arbeit für ‚Mauer’ begann es mit dem Text. Ich lief nach der Maueröffnung den Todesstreifen entlang. Da kam mir eine Frau entgegen, die ihren 8-jährigen Sohn suchte und sagte: „Der ist bestimmt wieder in den Westen.“ Diese Aussage fand ich so kurios, dass ich sie unter das Foto schreiben wollte. So begann die Bild/Text-Kombination. Der Text unter dem Bild macht einen anderen Raum auf. Er kann die Aussage des Bildes verstärken oder auch gegensätzlich sein. Dieser Raum, der dann entsteht, dieser Luftzug, der interessiert mich. Das ist der innere Raum für die Fantasie des Betrachters.

Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?
Ich habe beim WDR eine Ausbildung zur Cutterin gemacht und anschließend an der Filmhochschule in Berlin studiert. Dann realisierte ich einige Dokumentarfilme, habe dann aber schnell gemerkt, dass ich alleine mit der Kamera bessere Geschichten erzählen kann, als wenn ein ganzes Filmteam dabei ist.

Was treibt Sie an?
Der Grundimpuls sind die Fragen, die mich selber beschäftigen. Dabei ist die Kamera ein guter Vorwand, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Was ist ‚Rechts‘, warum gehen Männer ins Bordell? Warum prostituieren sich Frauen?

Was raten Sie Menschen, die gerade mit dem Fotografieren anfangen?
Leidenschaftlich sein! Sich mutig in ein Thema reinwerfen. Nicht denken ‚das muss man so machen’. Einen eigenen Stil entwickeln, sich was trauen. Die Menschen ernst nehmen. Keiner Mode hinterher laufen. Und sich fragen: ‚Wie möchte ich das erzählen?’
Die Zeiten der klassischen Bildreportage sind leider vorbei. Im Zeitalter der digitalen Bilderflut gibt es Unmengen an Alltagssituationen, die festgehalten werden. Meine persönliche Konsequenz daraus: Ich mache immer seltener Erinnerungsfotos. Man sollte sich grundsätzlicher mit Themen beschäftigen. Die klassischen Magazine sind kein Medium mehr. Man muss anders denken, selbst Bücher machen, eigene Geschichten finden. Und man darf nicht warten, bis jemand anruft. Man muss selbst anfangen.

Vielen Dank für das Gespräch!

* Unter dem Stockholm-Syndrom versteht man ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert. (Quelle: wikipedia)

Die Ausstellung findet bis zum 18. April 2015 in den Kunsträumen der Michael Horbach Stiftung in der Wormser Straße 23 statt. Mittwochs und freitags 15:30-18:30 Uhr, sonntags 11-14 Uhr und nach Vereinbarung.

Mehr im Netz
www.bettinaflitner.de

 

Text: Jasmin Klein

In eigener Sache

Dir gefällt unsere Arbeit?

meinesuedstadt.de finanziert sich durch Partnerprofile und Werbung. Beide Einnahmequellen sind in den letzten Monaten stark zurückgegangen.

Solltest Du unsere unabhängige Berichterstattung schätzen, kannst Du uns mit einer kleinen Spende unterstützen.

Paypal - danke@meinesuedstadt.de

Artikel kommentieren

Ich habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen. Ich stimme zu, dass meine Angaben und Daten zur Beantwortung meiner Anfrage elektronisch erhoben und gespeichert werden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an kontaktnoSpam@meinesuedstadt.de widerrufen.

Meine Südstadt Partner

Alle Partner

Meine Südstadt Service


Parkstadt Süd

Parkstadt Süd – Info-Homepage der Stadt ist online

Eifelwall wird für Autoverkehr gesperrt

Parkstadt Süd: Stadtteilbüro öffnet

Aufgeschnappt

DPSG sucht Personal für Tagungs- und Gästehaus

Kartause sucht sozialpädagogische Fachkraft (w/m/d) in Vollzeit

Das Mahal wird 2!

Die Südstadt auf Instagram.