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Kultur

Theaterpreisträger: Futur3 friedensverhandelt wieder

Freitag, 8. April 2011 | Text: Beate Fechtig | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

„Petersberg 1“ heißt das Stück – verhandelt wird der Nahost-Konflikt. Ein Israeli, eine Palästinenserin und der deutsche EU-Diplomat sitzen an einem Tisch. Ihr bescheidenes Ziel: Frieden schließen. Ein Theaterbesuch ohne Bühne, ohne Applaus und ohne Aussicht auf Erfolg. Aber mit Publikumsbeteiligung.

André Erlen (Regisseur): Es gibt natürlich keinen Mitmachzwang, auf keinen Fall. Für jede Delegation sitzen zwei Zuschauer mit am Tisch, die mitverhandeln können. Manche sagen nichts, andere reden pausenlos. Alles geht.

Der Mann stellt sich als „Rolf Bauernschmidt“ vor, ein Ökonom. Er plant eine Meerentsalzungsanlage auf palästinensischem Gebiet, „um die Bevölkerung langfristig mit Wasser zu versorgen.“ Der freie Handel dürfe nicht länger von Israel blockiert werden, das sei die Grundlage für dauerhaften Frieden in Nahost. „Glauben Sie eigentlich noch daran?“
Spielort ist zunächst die Breite Straße in Köln, jeder Zuschauer wird einzeln aus naheliegenden Kneipen abgeholt und auf die gleich folgende Friedenskonferenz vorbereitet. Besser gesagt, indoktriniert.

Erlen: Ja, das ist unser erstes Ziel, dieses Dilemma beim Zuschauer zu erzeugen, Position beziehen zu müssen. Obwohl man eigentlich nicht genau weiß für wen und warum. Ohne es zu wollen, wird er oder sie auf eine Seite gezogen. Der eine auf die palästinensische, die andere auf die israelische. Manche bekommen auch die Schlichter-Rolle.

Vor dem Business-Hotel, dem Ort der Verhandlungen. Herr Bauernschmidt will noch rauchen. „Da drin darf man ja nicht, wollen Sie auch?“. Er ist Halbitaliener, seine Frau Palästinenserin, Ärztin. Führt Augenamputationen durch, bei Kindern vor allem. Sie erblinden, getroffen von Gummigeschossen der barbarischen Israeli. So sagt er das nicht, aber er meint es so. „Okay, das halbe Jahr wohnt sie hier bei mir in Köln. Aber sie will die Kinder dort nicht alleine lassen, sie muss einfach helfen. Das lässt sie sich nicht ausreden.“ Herr Bauernschmidt wirkt authentisch, vertraut jetzt gar.

Erlen: Das haben wir bewusst so angelegt, das Stück versucht ständig, sich in die Realität einzuschmuggeln. Den Nahost-Konflikt auf eine persönliche Ebene herunter zu brechen, anschaulich zu machen – darum geht es. Die Zuschauer werden mental eingespannt, müssen mitdenken und am Ende idealerweise herauskommen mit dem Gedanken: ´irgendwas muss ich tun.

 

Foto: Eberhard Weible

Im Hotelfoyer kommt eine junge Palästinenserin dazu. Herr Bauernschmidt verabschiedet sich höflich und wünscht noch „viel Erfolg für die Verhandlungen.“ In einem Zimmer im vierten Stock erzählt die junge Frau von ihrem Alltag. „Noch nie stand ich mit meinem Füßen im Meer, niemals.“ Das Meer, so nah und doch unerreichbar, blockiert von den Israelis. Der „Sicherheitszaun“ sperrt die Palästinenser in viele einzelne Parzellen ein. Reisen? Unmöglich. „Viele kommen nicht mal zu ihrem Arbeitsplatz, sie werden einfach nicht durchgelassen.“ Im Traum wurde sie schon zur Selbstmordattentäterin, sagt sie, und wäscht die Zuschauerhände in einer Wasserschale. „Aber ich will leben, ich will doch leben.“

Erlen: Der Nahost-Konflikt schafft es im Augenblick nicht mal mehr auf die Titelseiten. Gerade ist ein hochrangiger Theatermann in Dschenin ermordet worden – aber davon liest man hier fast nichts. Wir sind, bevor wir das Stück geschrieben und realisiert haben, nach Israel gereist, waren in Jerusalem, Tel Aviv und Ramallah. Das war wichtig für das Stück, in dem es ja vor allem um eines geht: Um die Wahrnehmung des Nahost-Konflikts hier. Oder vielleicht auch die Nicht-Wahrnehmung.

Foto: Eberhard Weible

Am Verhandlungstisch wird gestritten. „Warum kommen eigentlich die israelischen Interessen hier kaum zur Sprache?“, möchte der Israeli wissen. Und die wären? „Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit.“ Alle Palästinenser sind Terroristen, alle Israelis Unterdrücker,und der EU-Vermittler ist der überhebliche Westler. Man denkt schlecht voneinander. Die Zuschauer sind längst Mitmacher, sie gehören einer Seite an. Sitzen vor ihren Fähnchen: zwei vor der israelischen, zwei vor der palästinensischen. Und in der Mitte zwei vor den gelben EU-Sternchen. Die Szenerie wirkt einhundert Prozent echt, sie ist echt. Schlagabtausch, auch körperlich. Die Vernunft wird nicht siegen, die Diplomatie wird zur Farce. In der inszenierten Pause erzählt Herr EU einen Nazi-Witz. Muss das sein?

Erlen: Der Frust über die jahrelangen Verhandlungen, die zu nichts führen – das soll spürbar werden. Und umgekehrt auch die Verhandlungsseite sichtbar gemacht werden: Was kann ich hier erreichen, was auch von meinem Volk auf der Straße akzeptiert wird?

Vor den fiktiven Medien endet die Szenerie mit einem gestellten Versöhnungsfoto. Man gibt sich friedensbereit, die Message nach außen muss stimmen. Auch wenn sonst nichts stimmt.

Erlen: Zum Schluss gibt es eine Art Medientraining, die Zuschauer gehen danach raus und treffen sich in der Bar. Zum Austausch und zur Diskussion, da wird der Nahost-Konflikt dann nochmal zum Thema. So endet das Stück nicht abrupt, sondern in Gesprächen.

 

André Erlen ist 36 Jahre alt, in Köln geboren, hat an der Kunstakademie Düsseldorf studiert und 2004 zusammen mit Stefan H. Kraft und Klaus Maria Zehe das Theaterkollektiv Futur3 gegründet. Er ist verheiratet mit der ukrainischen Sängerin und Komponistin Mariana Sadovska. Sie haben einen Sohn (7) und eine Tochter (4) und leben im Südstadt-nahen Pantaleonsviertel.

„Petersberg 1“ hat den Kölner Theaterpreis 2010 gewonnen und den Kurt-Hackenberg-Preis für politisches Theater. Das Freie Theaterkollektiv „Futur3“ mit Sitz in der Kölner Südstadt hat das Stück konzipiert, die künstlerischen Leiter sind André Erlen und Stefan H. Kraft. Futur3 gibt es seit 2004, sie schreiben und produzieren alle ‚Stücke selbst und bringen sie bevorzugt in öffentlichen Räumen zur Aufführung.

Beate Fechtig

Die Autorin ist Journalistin und lebt seit vielen Jahren in Bayenthal.

Die nächsten Spieltermine: Samstag, 9.4. und Sonntag, 10. 4.2011

Weitere Termine im Juni.
Beginn: zwischen 17.45 und 20.30 Uhr (Termine werden individuell telefonisch vergeben)
Eintritt: 14,-/ erm. 9,- Euro
Info/Karten: 0157 86 54 52 32

 

Weitere Informationen über „Petersberg 1“ finden Sie unter:
www.Futur-Drei.de

 

Es gibt auch einen Trailer zu dem Stück, den findet man hier:
http://www.youtube.com/watch?v=I0VQZ2m_x6g

 

Text: Beate Fechtig

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