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Bildung & Erziehung Kultur Südkids

Vom Hinterhof auf die Bühne

Sonntag, 25. März 2012 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Die Hinterhöfe der Häuser in der Südstadt stecken oft voller Überraschung. Ohne große Erwartungen und ahnungslos schlendert man vielleicht zufällig oder neugierig in einen Hinterhof und entdeckt ein kleines Wunder. So auch in der Wormser Straße 45.
14 junge Menschen haben ihren Weg dorthin  gefunden. Ihr Weg führte sie oft durch ein labyrinthartiges Leben voller Hügel und Täler. Manche haben die Orientierung verloren und sich in die Wormser Straße treiben lassen. Manche sind zielstrebig, hilfesuchend hierher gekommen. In dem Verein “Planet Kultur” sind sie alle willkommen, hier sind sie alle gleichberechtigt und haben die gleichen Chancen.

Die Welt trifft sich in der Südstadt
Carina und Mike stammen aus Polen, Kokou und Stiven aus dem Kongo, Rafaels Familie kommt aus Portugal und Laila ist vor 10 Monaten aus Indien nach Deutschland gezogen. Hatice und Atilla haben ihre Wurzeln in der Türkei und Floras Eltern stammen aus Deutschland und Mozambique. So unterschiedlich wie ihre Herkunftsländer sind, so unterschiedlich sind auch ihre Biographien. Die Jungendlichen sind zwischen 17 und 25 Jahre alt, haben irgendwie etwas mit Migration zu tun und sind auf der Suche.

Integration statt Parallelgesellschaft

Das ist das Motto von “Planet Kultur e.V.”. Das gesteckte Ziel ist es, Jugendlichen zu helfen, ihren selbstbestimmten Weg in der Gesellschaft zu finden. Manche haben schon einen Schulabschluss, wissen aber noch nicht wie es weiter gehen soll. Andere brauchen Hilfe, die Schule zu beenden. Die Projektleiterin Lisa Mehnert und ihre rechte Hand Patricia Graupner stehen in allen Lebenslagen zu Seite: Muss ein Praktikumsplatz gefunden werden? Soll eine Bewerbung geschrieben werden? Braucht jemand einen Job, um sich über Wasser zu halten? Geht es körperlich nicht so gut? Oder drückt der Schuh woanders? Guter Rat und Unterstützung sind immer zu bekommen!

 

Mehdi Haris und Lisa Mehnert motivieren junge Menschen bei Planet Kultur.
Mit Kunst zum Ziel
Der Clou bei diesem Projekt ist die Kunst! Seit 2003 zeigt der Verein erfolgreich, dass mehr musische Betätigungen den Jugendlichen besser helfen als das sture Pauken von Lehrplaninhalten. In den letzten Jahren hat es sich noch lauter herumgesprochen und es scheint mehr Projekte mit Tanz, Gesang & Schauspiel überall auf dem Globus zu geben. Bei Planet Kultur erhalten die Jugendlichen Unterricht von professionellen Künstlern und stellen innerhalb eines Jahres ein Musical auf die Beine. Außerdem werden sie in den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathe unterrichtet.

Who’s who
Die Liste der Förderer & Sponsoren von “Planet Kultur” liest sich wie das Who’s Who der sozial engagierten Menschen & Institutionen: Karin Beier und Hedwig Neven DuMont im Vorstand, Jobcenter, Europäische Union, Ministerium für Familie, Kinder, Jugend Kultur & Sport, Ministerium für Arbeit & Integration & Soziales, Schauspiel Köln und etliche Stiftungen. Die Investitionen lohnen sich und das Ergebnis kann einmal im Jahr im Schauspielhaus bewundert werden. Dieses Jahr wird es im Mai ein Musical nach dem “Sommernachtstraum” von Shakespeare zu sehen geben. Das könnt Ihr Euch bereits in den Kalender eintragen.
 

“Ich habe gelernt, diszipliniert und zuverlässig zu sein”
Carina ist 19 Jahre alt, sie kommt jeden Tag aus Holweide in die Wormser Straße und hat einen Realschulabschluss: “Nach der Schule wollte ich unbedingt etwas mit Schauspiel machen und habe dann im Internet recherchiert. Dann habe ich Planet Kultur gefunden. Das Arbeitsamt hat vermittelt und seit September 2010 bin ich hier. Bis zu den Sommerferien bin ich noch hier. Danach möchte ich am Berufskolleg mein Abi mit Qualifikation Gesundheitswesen machen. Als ich hier hin gekommen bin, wusste ich nicht, was mich erwartet. Es gab ein Gespräch mit dem Sozialpädagogen und dann habe ich im Tanzunterricht zugeguckt. Am nächsten Tag sollte ich im Gesangsunterricht ein Lied vorsingen. Ich habe keine Probleme damit, zu singen – ich kann es nur nicht! Das Lied, das ich gesungen habe,  werde ich nie vergessen: “Mad World”! Schauspiel und Tanz liegen mir mehr. Ich habe hier sehr viel gelernt. Ich war vorher nicht diszipliniert und zuverlässig. Das habe ich hier gelernt. Ich bin auch ehrgeiziger geworden. Das Schauspielen war für mich der Anreiz.”
Im künstlerischen Unterricht wird viel improvisiert und eigene Texte werden geschrieben. In Mathe hat Carina viel nachzuholen: “Ich habe an der Schule viel gefehlt und hatte daher viele Lücken. Da wird der Unterricht dann individuell auf die Bedürfnisse von uns angepasst. Außerdem werde ich noch auf das Abi vorbereitet.”

Carina kommt gerne in die Wormser Straße. Sie hat sich hier neu finden und orientieren können. Viele Freunde hat sie noch an ihrer alten Schule und hier hat sie neue gefunden: “Die Gruppe ist sehr cool. Wir verstehen uns alle sehr gut und kommen alle gut miteinander aus.” Für Carina steht fest: nach dem Abi möchte sie weiter Schauspielen und künstlerisch tätig sein.

 

“Ich kann nicht verliebt spielen”
Nach mehreren Stationen in der ganzen Republik ist Stiven vor ungfähr einem Jahr in Köln gelandet. Er wohnt in einem Jugendwohnheim in Mülheim. Einige Freunde und die Berufsbildungsberatung haben ihm geraten, sich an “Planet Kultur” zu wenden, nachdem er die Realschule abgebrochen hat. Stiven blickt auf seine 10 Monate bei Planet Kultur zurück: “Tanzen macht auch Spaß, aber Schauspiel ist am Besten! Singen liegt mir nicht. Ich habe zwar schon auf der Bühne gerappt, aber hier macht man richtig viel Erfahrungen mit der Bühne. Ich habe gelernt, dass Schauspielen total schwer ist! Man muss es richtig fühlen. Der Aggro fällt mir leicht. Lustig kann ich auch. Aber ich kann nicht verliebt spielen!”
Nach dem Sommer möchte Stiven ein Praktikum in einem Jugendzentrum machen. Danach will er wieder auf die Schule und seinen Realschulabschluss machen. Das Weitere wird sich zeigen. Stiven nimmt zwei Dinge mit, wenn er im Sommer geht: “Ich habe auf jeden Fall gelernt, mit meiner Aufregung umzugehen und Uhrzeiten einzuhalten.”

Durststrecke bis die Gelder kamen
Lange hat Lisa Mehnert gekämpft für das Projekt “Planet Kultur”! Aus Mangel an Mitteln hat die Aufbauarbeit an ihrem Küchentisch statt gefunden. Ihre Küche musste als Büro herhalten. Fast ein ganzes Jahr lang hat sie gar keine finanzielle Unterstützung bekommen. Doch sie glaubte daran, dass künstlerische Arbeit zur Menschenbildung, zur Seelenbildung dienlich ist. Sie lässt den Menschen reifen. Und nun ist das Stichwort “kulturelle Bildung” in aller Munde und die Gelder fließen. Über das Projekt sagt die Erziehungswissenschaftlerin, Regisseurin und Kulturmanagerin Mehnert: “ Künstlerische Arbeit ist eine Transformation der Problematik. Ein Wandel. Schwächen können zu Stärken werden. Viele junge Leute brauchen kein mitleiden. Sie brauchen starke Menschen, an denen sie sich abarbeiten. Wir sind hier keine Autowerkstatt. Wir können keine Teile austauschen. Aber wir können motivieren. Jeden Morgen aufstehen und hart arbeiten müssen die Teilnehmer selber.”

Premiere des Musicals “Ein Sommernachtstraum” im Schauspielhaus Köln
am 22. und 23. Mai 2012, 19:30 Uhr. Mehr Infos unter www.pkev.webdesign-kasube.de
 

Text: Aslı Güleryüz

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