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Politik Umwelt

Widerstand mit Körpereinsatz und Traktoren

Dienstag, 9. November 2010 | Text: Doro Hohengarten | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

„Meine Südstadt“-Fotograf Dirk Gebhardt ist am Montagabend aus dem Wendland zurückgekehrt. Er hat sich für eine Fotoreportage der Anti-Atom-Bewegung angeschlossen und die Bauern und ihren Widerstand gegen den Castor-Transport porträtiert. Während die Behälter mit Atommüll den Salzstock in Gorleben erreichen, treffe ich den Reporter, der gerade die Fotos sichtet und sortiert.

Du hast gerade die größten Anti-Castor-Proteste seit langem miterlebt. Welche Bilder hast du mitgebracht?

Viele. Zum Beispiel das: Eine Bäuerin stellt sich vor ein Räumfahrzeug der Polizei, so dass es nicht mehr wegkommt. Später keilen Traktoren das Fahrzeug ein. Das ist eine der beeindruckenden Situationen gewesen. Auch die Komplett-Blockade einer Bundesstraße gehörte dazu: Bauern stellen neun Traktoren genau so unter ein Viadukt, dass es der Polizei erst zwölf Stunden später gelingt, mit Unimogs und Kränen die Sperre aufzulösen.

 

Welche Rolle spielen die Bauern im Wendland bei den Anti-Atom-Protesten???

Die „Bäuerliche Not-Gemeinschaft Lüchow-Dannenberg“, die ich porträtiert habe, gibt es seit 1977, seit der Standortbenenunng für Gorleben. Diese Gruppe versucht aktiv, den Widerstand zu ermöglichen. Das heißt, die Mitglieder stellen ihre Häuser, ihre Höfe für die Demonstrierenden zur Verfügung, versorgen sie mit Essen, Decken und Unterkünften. Der größte Teil des Widerstandes kommt aber ohnehin aus der Region – von den Menschen die dort leben.??

 

Warum sind es die Bauern, von denen der Widerstand ausgeht???

Das Wendland ist eine ländlich geprägte Region. Dort leben viele Bauern. Aber neben den Bauern sind längst zum Beispiel auch Schreiner und Transportunternehmer dabei. Und natürlich gibt es im Wendland auch andere Organisationen, die Proteste organisieren.

 

??Seit Jahrzehnten ist umstritten, ob Gorleben als Ort für ein Atomlager überhaupt geeignet ist. Ist die Angst vor Verstrahlung weiterhin der Hauptmotor für diesen Protest???

Bis heute weiß man von keiner geologisch sicheren Formation, in der Atommüll endgelagert werden kann. Daher haben die Menschen dort enorme Bedenken, dass Gorleben letztlich zum Endlager werden könnte. Gorleben ist ein Salzstock, und Salz hat die Eigenschaft, relativ instabil zu sein.??


Wie kam dein Kontakt mit den Bauern zustande??

Durch eine Südstädterin, die mit einem der Bauern verwandt ist. Er ist bereits seit Anfang der 90er Jahre im Widerstand aktiv. ??


Ihn hast du begleitet. Was hast du dabei erlebt???

Der Mann gehört zur Notgemeinschaft und organisiert gemeinsam mit den anderen den Widerstand. Die Bauern treffen sich vor den Castor-Transporten in ausgebauten Scheunen oder mitten auf ihren Feldern, mehr oder weniger im Geheimen, weil sie vermeiden wollen, dass die Aktionen vorher bekannt werden. Man versucht sich der Kontrolle durch den Staat zu entziehen. Bei diesen konspirativen Treffen geben vorher also alle ihre Handys ab oder lassen sie zu Hause – aus der nicht ganz unberechtigten Sorge heraus, dass sie abgehört oder geortet werden könnten. Dann planen sie ihre Aktionen. Das alles läuft sehr basisdemokratisch ab. Jeder bietet das an, was er kann. Die einen stellen Traktoren zur Verfügung, für Straßenblockaden. Manche spenden nur Essen. Andere bauen ein Bauern-Camp für die Demonstranten. Dort fahren sie Hänger hin, bauen eine Küche auf, schalten ein Stromaggregat an, verlegen Leitungen, organisieren Toiletten. Die ganze Infrastruktur rund um die Proteste kommt von ihnen. In jedem einzelnen dieser Dörfer im Wendland findet man derzeit mindestens ein Lager, in dem Tausende von Demonstranten sich treffen und wo die Bäuerinnen Essen verteilen und den Menschen geholfen wird. Ich habe überall nur große Offenheit erlebt – von wegen misstrauische, verschlossene Bauern….


Das alles bedeutet für viele von ihnen auch eine finanzielle Belastung.??

Ja, viele müssen für die Zeit des Castor-Transportes ihre Betriebe schließen. Zahlreiche ihrer Angestellten machen auch mit – es sind große Summen, die sie in diese Sache stecken. Doch sie erhalten auch Spenden von Privatpersonen und Organisationen aus ganz Deutschland.??

 

Wie war die Stimmung bei den diesjährigen Castor-Transporten???

Die Leute sagen, das Wir-Gefühl ist in die letzten Jahren größer geworden, weil viel mehr Bauern bereit sind, mitzumachen. Aus der kleinen Gruppe von 1977 sind inzwischen mehrere hundert Leute geworden.??

 

Die Wendländer, vor allem die Bauern, gelten ja eigentlich als eher konservativ. Die CDU ist stark dort. Hast du das bei deiner Reportage so erlebt???

Das verändert sich. Der Beruf ist nicht mehr einheitlich, und die Leute sind es auch nicht mehr. Viele haben Agrarwissenschaft studiert, haben Biohöfe aufgemacht. Durch die dreißig Jahre andauernde Belastung der Region sind immer mehr Bauern bereit, sich gegen die Zwischenlagerung von Atommüll vor ihrer Haustür zu wehren. Dieses Jahr kamen plötzlich Leute hinzu, die in den Jahren davor kein Interesse an den Protesten hatten. So kam es, dass plötzlich 600 Traktoren zur Hauptkundgebung am Samstag fuhren – vorher waren es maximal 400 gewesen.

Das heißt, die Bauern protestierten nicht nur gegen die Zwischenlagerung, sondern auch gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke??

Ja, durch die aktuelle Politik der Bundesregierung hat sich der Protest deutlich verschärft. In den letzten Jahren war der Widerstand zurückhaltender, aber für die Leute vor Ort gibt es ganz klar den Zusammenhang: Wenn die Kraftwerke 20 Jahre länger laufen, bedeutet das, dass 20 Jahre länger Müll produziert wird, der in Gorleben gelagert wird. Ich habe keinen Bauern erlebt, der für Atomkraft gewesen wäre.

Die Traktor-Blockaden der Bauern haben auch dieses Jahr wieder die Polizei und die Medien beschäftigt.

Sie haben schon am ersten Tag über 400 Traktoren als Barrikade vor das Kundgebungsgelände gestellt, so dass die Zufahrt von der Polizei nicht genutzt werden konnte. Diese Blockade hat schon Tradition, sie machen sie jedes Mal, nur dieses Jahr war es für die Polizei überraschend, dass ein Großteil der Fahrzeuge nach der Kundgebung wieder abgefahren ist. Das war vorher anders – da sind alle mehrere Tage lang geblieben. Die Bauern in der Notgemeinschaft waren erstmal unzufrieden deswegen – es handelte sich wohl um einen Kommunikationsfehler. Aber später dann wurden die Bauern, ausgehend von ihren Bauerhöfen, sehr aktiv und haben an allen zwölf strategisch wichtigen Punkten Blockaden gesetzt. Das führte dazu, dass Polizisten nicht durch- und weiterkamen zur Castor-Strecke, und dass sie von der Versorgung abgeschnitten waren. Das haben die Bauern, soweit ich das überblicken konnte, selbst und spontan organisiert. Sie sahen: Da fährt die Polizei vorbei, und fuhren mit ihren Traktoren raus. ??

 

 

Wie hat die Polizei dann reagiert?
Ihr waren die Hände gebunden. Da standen mehrere Taktoren auf der Kreuzung, viele Menschen drum herum, Feuertonnen gegen die Kälte. Die Polizei konnte weder einen Verantwortlichen noch einen Fahrer ermitteln, worauf sie dann meistens wieder unverrichteter Dinge abgezogen ist. Zusätzlich fehlte den Polizisten schweres Gerät, um die Traktoren wegzuschleppen. Die Stimmung war zornig gegen die Regierung und die politischen Entscheidungsträger, aber sonst eher gelassen. Es gab Diskussionen mit den Beamten, man versuchte sie zu überzeugen, dass auch ein Polizist einen Befehl nicht befolgen muss. Von den Polizisten kamen  Ratschläge wie: „Sie können ja auch wegziehen“. Darauf die Antwort: „Und wie nehme ich meine 300 Hektar Land mit?“. Generell haben die meisten Polizisten versucht, freundlich zu bleiben. Wenn man sich überlegt, dass sie dreißig Stunden ununterbrochen im Einsatz waren, ist es auch nicht verwunderlich, dass es Ausfälle gab, aufgrund der geistigen und körperlichen Erschöpfung.??

 

Der Bauer, den du begleitet hast, wurde am Montagabend festgenommen. Warum?
Er wollte mit anderen Bauern die Landstraße blockieren, auf der der Castor das letzte Stück bis zum Gorlebener Salzstock transportiert wird. ?Mittlerweile wurde er aber wieder „aus dem Gewahrsam entlassen“, wie es so schön heißt.?

Text: Doro Hohengarten

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