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Gesellschaft

Wiederaufbau für die Seele

Dienstag, 6. Januar 2015 | Text: Jasmin Klein | Bild: Barbara Siewer

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Wenn wir durch Köln laufen, sehen wir die Spuren, die der Zweite Weltkrieg im Stadtbild hinterlassen hat. Was wir nicht auf den ersten Blick sehen, sind die Spuren, die der Krieg in den Seelen der Menschen hinterlassen hat. Kriegstraumatisierte Männer und Frauen, die nach dem Krieg weiter machen mussten: Kinder erziehen, Deutschland wieder aufbauen – ein Tätervolk ohne Mitleid von außen.
Eine Generation, die immer nur weiter gemacht hat. An Psychotherapien war nicht zu denken, das war was für Verrückte, und verrückt sind sie ja nicht, nur weil sie nicht wissen, was mit ihnen los ist. Auch die Kinder dieser Generation spüren noch deutlich, wie sehr der Krieg Spuren bei ihren Eltern hinterlassen hat. Machen sie es sich auch immer klar, woher all das rührt – das schlechte Selbstwertgefühl, die Albträume, die Depression?

Paula e.V. ist eine Beratungsstelle für Frauen über 60 und ihre Angehörigen.
Martina Böhmer hat sie gemeinsam mit anderen Frauen 2008 gegründet. Wir treffen sie in der Beratungsstelle An St. Magdalenen 11. Seit 2014 befindet sich diese dort im Erdgeschoss.? Die Beratungsstelle, die aus zwei Räumen besteht, ist gemütlich eingerichtet, hell, mit fließenden Gardinen und einer ruhigen, bequemen Sitzecke im hinteren Raum. Dorthin setzen wir uns. Martina Böhmer bietet uns Wasser und Kaffee an. Eine ruhige, freundliche Frau mit warmen Augen und einer großen Aufgabe.

Meine Südstadt: Was macht Paula e.V. genau?
Martina Böhmer: Wir beraten Frauen über 60, die in der Vergangenheit traumatische Gewalt erfahren mussten, die sich heute z.B. in Angstzuständen, überhöhtem Blutdruck und Schlafstörungen ausdrückt.?Aber auch aktuelle Gewalterlebnisse, eigene Pflegebedürftigkeit oder die von Angehörigen stellt viele ältere Frauen vor besondere Herausforderungen.?Es gab bisher keine Beratungsstelle, die sich gezielt mit diesen Thematiken auseinander gesetzt hat. Diese Lücke möchten wir füllen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich arbeitete schon viele Jahre als Altenpflegerin, als ich 2000 ein Buch mit dem Titel „Erfahrungen sexualisierter Gewalt in der Lebensgeschichte alter Frauen“ veröffentlicht habe. Zu diesem Thema habe ich Vorträge und Workshops gehalten und war als Referentin viel unterwegs. Während dieser Reisen wuchs in mir der Wunsch, etwas Nachhaltiges zu schaffen. 2008 habe ich dann mit anderen Frauen zusammen den Verein „Paula“ gegründet, um besser netzwerken zu können und einen festen Standort zu haben, wo wir Frauen beraten können. 2014 sind wir vom Marsilstein in die Südstadt gezogen.

Wie läuft eine Beratung ab?
Man kann anrufen und einen Termin vereinbaren. Wir setzen uns hier hin, und die Frau erzählt mir, was sie zu mir gebracht hat. Manchmal reichen wenige Sitzungen (3-7) aus, um einen Durchbruch zu erlangen. Jahrzehntelanges Schweigen hat viele Frauen so verkantet in dem, wie sie die Dinge betrachten, dass es manchmal eines Einblicks von außen bedarf, um einen Prozess in Gang zu setzen, bei dem die Betroffene sich erleichtern kann.

„Die Frauen müssen ihre Geschichte erzählen können“ sagt Martina Böhmer von Paula e.V.

 

Wie kann man jemandem helfen, der so viele Jahre alles mit sich allein ausgemacht hat?
Es ist wichtig, dass die Frauen ihre eigenen Grenzen spüren und aufzeigen können. Hier sitzen Frauen, die ihre Geschichte noch niemandem erzählt haben. Die Frauen müssen ihre Geschichte erzählen können. Wir bieten ihnen einen Raum, wo sie verstanden werden und Mitgefühl bekommen.
Es sind Frauen, die immer dachten: ‚Mit meinen Bedürfnissen darf ich nicht kommen.’ Sie haben sich viele Jahre selbst nicht gespürt.
Es kommen auch 70-jährige, 80-jährige, die seit Jahrzehnten von ihren Männer geschlagen werden. Auch die sind bei uns gut beraten. Man darf nicht glauben, dass ein Mann aufhört, seine Frau zu schlagen, nur weil beide älter werden. Viele Frauen glauben auch, dass sie in guten und in schlechten Zeiten mit den Männern zusammen bleiben müssen, und wenn der Mann dann zum Pflegefall wird, sind sie weiter für ihn da und pflegen ihn.
Es ist wichtig, sich seine eigenen Ressourcen anzuschauen. Manchmal erkennt man einfach, dass die eigene Kraft nicht groß genug ist für all das, was in einem vorgeht. Wir möchten die Frauen begreifen, sie stärken und ihre Autonomie herstellen. Was sie jahrzehntelang mit sich herumgetragen haben, können sie im Gespräch loslassen. Sie verstehen Dinge anders. Dann geht es darum, was die Frauen jetzt tun können. Rückblickend kann man herausfinden, was einen im Leben gestärkt hat, was einem geholfen hat.
Kürzlich kam eine Frau zu mir, deren Mutter im Krieg wohl Schlimmes erlebt haben muss und die nie in der Lage war, ihre Tochter aufrichtig zu lieben. Die Tochter hat immer sich selbst belastet und dachte, dass sie schuld ist an der schlechten Beziehung und ihrem schlechten Selbstwertgefühl, weil sie nicht richtig funktioniert. Dabei war es eine normale Reaktion auf unnormale Ereignisse. Eine solche Erkenntnis kann enorm entlasten. Zumal seelische Qualen sich auch körperlich niederschlagen können, und man zunächst gar nicht wahrnimmt, dass die körperlichen Auswirkungen eine seelische Ursache haben.

Wieviel kostet eine Sitzung?
Je nachdem, was die Frauen zahlen können, zwischen 20 und 60€.

Wie finanzieren Sie sich generell?
Wir arbeiten ehrenamtlich und finanzieren uns über Spenden. Die EU finanziert gerade unser Projekt ‚Unterstützung für Frauen ab 60’, in dem wir u. a. Schulungsmodule für Pflegende zum Umgang mit traumatisierten älteren Frauen entwickeln, sodass meine 28-Stunden-Stelle bis Juni 2015 gesichert ist.

Wir verabschieden uns und sind tief beeindruckt von der Arbeit und über die Einblicke, die wir durch unser Gespräch hatten. In jeder Familienbiografie gibt es sicherlich Menschen, die man nun gerne an die Hand nehmen und mit ihnen zu Paula e.V. gehen würde. Diese Arbeit verdient es, finanziell unterstützt zu werden.

 

Mehr im Netz:
Für die Weiterarbeit von Paula e.V. können Sie hier spenden:
http://www.paula-ev-koeln.de/spenden/

TV-Beitrag bei frau.tv:? http://www1.wdr.de/fernsehen/information/frautv/sendungen/Vergangenheit106.html

Literatur zum Thema:?
Martina Böhmer

Erfahrungen sexualisierter Gewalt in der Lebensgeschichte alter Frauen – Ansätze für eine frauenorientierte Altenarbeit

Mabuse-Verlag, Auflage: 5., Aufl. 2014

Sabine Bode

Die vergessene Generation: Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen.

Piper 2004

Ingrid Müller-Münch

Die geprügelte Generation – Kochlöffel, Rohrstock und die Folgen.

Piper 2013
 

Text: Jasmin Klein

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