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Gesellschaft Politik

Wilder Westen verlässt den Süden

Mittwoch, 23. Mai 2012 | Text: Wassily Nemitz | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Am Anfang waren es nur Gerüchte – Ende März kam dann die Gewissheit: Der so genannte „Waffenladen“ auf der Bonner Straße macht zu. Inzwischen ist das Ladenlokal geräumt, nur die Leuchtschilder weisen noch auf die frühere Anwesenheit von „Outdoor, Defense and More“ hin.

 

Als das Geschäft Ende 2010 eröffnete, war die Aufregung in der Südstadt groß: Zum ersten Artikel auf „Meine Südstadt“ über die Neueröffnung des Ladens von Andreas Moll wurden 153 Kommentare hinterlassen. Das Thema war brisant – und es dauerte nicht lange, da formierte sich Protest. Unter dem Titel „Veedel ohne Waffen“ gründete sich eine neue Initiative, zur ersten Sitzung kamen mehr als 100 Südstädter. In den Sprecherrat wurden dort unter anderem Südstadt-Pfarrer Hans Mörtter und Tim Cremer, Mitglied der Südstadt-Jusos, gewählt. In der Folge kam es zu zahlreichen Aktionen gegen das Geschäft, für die Öffentlichkeit am sichtbarsten waren die Mahnwachen, die zeitweise wöchentlich vor dem Geschäft abgehalten wurden. Im Laufe der Zeit verflachte das Interesse an dem Thema aber merklich – von den anfangs 100 Mitgliedern waren im April 2011 gerade mal sechs übrig. Trotzdem blickten die Verbliebenen optimistisch in die Zukunft: „Wenn alles glatt läuft, könnte der Laden innerhalb eines Jahres schließen“, behauptete damals Tim Cremer. Er sollte Recht behalten: Der Laden hat tatsächlich geschlossen.

 

Warum? Waren die Südstädter doch nicht so Waffen-fanatisch wie angenommen? Hatten sich mögliche Illusionen des Betreibers, die Südstadt werde zum Kampfgebiet, nicht erfüllt? Oder waren gar die Proteste der Initiativen „Veedel ohne Waffen“ entscheidend? Udo Schalla, Verkaufsleiter bei der Betreiberfirma „PW Tobacco“, erklärte im Gespräch mit „Meine Südstadt“: „Die Proteste der Initiative haben keine Rolle bei der Entscheidung gespielt“. Anderenfalls sei man „schon viel früher da rausgegangen“. Weitere Fragen nach den Gründen für die Schließung wollte Schalla nicht beantworten – das Interview war bereits nach etwa 90 Sekunden beendet, Schalla: „Zeit ist Geld!“.

 

Hans Mörtter, Mitglied im Sprecherrat von „Veedel ohne Waffen“, sieht sehr wohl die Proteste mit als Ursache für die Schließung des Ladens an: „Das ist doch nur eine Schutzbehauptung“, meint er. Die Initiative habe es geschafft, die Südstädter für das Thema zu sensibilisieren. Schalla müsse ja sagen, die Proteste hätten keine Rolle gespielt. Allerdings müsse er sich auch fragen, „warum da kaum jemand was gekauft hat.“ Mörtter nimmt an, dass aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit, die die Initiative betrieben hat, viele Menschen vom Kauf bei „Outdoor, Defense and More“ abgehalten wurden. Auch Tim Cremer, ebenfalls Mitglied im Sprecherrat, glaubt, dass „Veedel ohne Waffen“ mit zur Schließung beigetragen hat: „Sicherlich ist das nicht nur uns zu verdanken, allerdings haben wir einen nicht unerheblichen Anteil dazu beigetragen“.

 

Pfarrer Hans Mörtter/ Foto: Paul Tellmann

 

Der Laden hat zu gemacht – ist die Initiative „Veedel ohne Waffen“ jetzt überflüssig geworden? Hans Mörtter meint: „Nein, weil sich die Arbeit bei uns nicht nur auf den konkreten Fall hier beschränkt“ – und auch Tim Cremer sieht das so: „Unser erstes Ziel war es, vor der eigenen Haustür zu kehren und dann in die große Politik zu gehen.“ Daher seien Gesetzesinitiativen durch den Kreistag der SPD gestartet worden, welche einen Antrag zum Verbot von Anscheinswaffen durch die Bundestagsfraktion zum Ziel hätten. Leider sei die Umsetzung dieser Initiativen aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag derzeit nicht möglich, befindet Hans Mörtter. Einzig die CDU habe sich nicht an den Protesten gegen den Laden beteiligt, während „alle anderen Parteien“ dabei gewesen seien, behauptet Mörtter. Offenbar geht er, obwohl die Wahl noch gar nicht stattgefunden hat, davon aus, dass es 2013 zu einem Regierungswechsel kommt.

 

Tim Cremer erklärt hingegen, dass die CDU im Jugendhilfeausschuss gemeinsam mit den meisten anderen Parteien ebenfalls für eine Resolution zum Verbot von Anscheinswaffen gestimmt hat. Damals sei nur die FDP nicht dabei gewesen. Mörtter und Cremer erklären, man werde erst wieder nach der Wahl 2013 richtig aktiv und versuche, die Gesetzesvorhaben in einem neu zusammengesetzten Bundestag durchzusetzen. Außerdem plane „Veedel ohne Waffen“ eine Veranstaltung gemeinsam mit einer Initiative, die sich nach dem Amoklauf von Winnenden 2009 gegründet habe – ebenfalls für 2013, in der Lutherkirche.

 

„Wild, wild West im Kölner Süden“, so titelte Andreas Moll Ende 2010, als der Laden öffnete. Das gilt jetzt nicht mehr. Weit fahren muss man aber nicht – „PW Tobacco“ betreibt im geographischen Westen Kölns, in Ehrenfeld, eine weitere Filiale.

 

Mehr Artikel zu diesem Thema im „Dossier Waffenladen im Kreuzfeuer„.

Text: Wassily Nemitz

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