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Gesellschaft Kultur

„Das Aschenbrödel unter den Vororten“

Mittwoch, 17. Januar 2018 | Text: Johann Zajaczkowski

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Es wirkt schon irgendwie grotesk: selbst der weltgewandteste Globetrotter mutiert im Handumdrehen zum Hyperlokalpatrioten, sobald es um das „beste Veedel“ oder den „besten Kiez“ geht. Doch vermutlich ist das nur ein scheinbarer Widerspruch, und genau diese Mischung, quasi die „Glokalisierung“, ist womöglich die richtige Antwort auf wiedererstarkenden Nationalismus und Wohlstandsseparatismus.

Nun ist es zumindest in hiesigen Kreisen kein Geheimnis, dass sich die Südstadt mit der Auszeichnung „Kölns bestes Veedel“ schmücken darf. Doch selbst die Südstadt wäre nichts ohne ihr Umfeld. Und das besteht in diesem Fall, nicht zuletzt, aus Zollstock.

Eigentümlich verwoben ist die Geschichte der beiden Veedel. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Südstädter —darunter berühmte Karnevalisten und Bierbrauer— im damals frisch aufgeschütteten Südfriedhof in Zollstock begraben. Also zogen die Leichenzüge durch Zollstock und genehmigten sich beim Leichenschmaus nach der Beerdigung das ein oder andere Gläschen.

Heute hingegen zieht es die Zollstocker —trotz der ein oder anderen Szenekneipe— zum Ausgehen, Trinken und Feiern in die Südstadt. Auch war Zollstock seit Ende des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Produktionsstandort für Ziegel, die unter anderem für den Bau der Gebäude in der Südstadt verwendet wurden. In denen wiederum die Arbeiter lebten, die in den Ziegeleien ihre Arbeitskraft feilboten. In gewisser Weise ist die Beziehung zwischen Südstadt und Zollstock also von einer Verwobenheit aus Mensch&Material geprägt. Leben und Sterben, Arbeiten und Feiern. Hü und Hott. Oder so ähnlich.

In seiner ganzen rhombenförmigen Pracht nun schmiegt sich Zollstock, einst Hort des städtischen Kleinbeamtentums, eng an die breitgespannten Gleisanlagen in seinem Westen, gen Norden vermeintlich nur eine Untertunnelung von der Südstadt entfernt.

Unterführung Weyerstraßenweg. Bild: Walter Raab.

So nah, und dabei doch so fern — jedenfalls dann, wenn man den öffentlichen Nahverkehr als Maß aller Dinge nimmt.

Ein Quartett streicht durchs Veedel

Die vier in Zollstock ansässigen KünstlerInnen Renate Geiter, Norbert Goertz, Angela Graumann, Walter Raab

„Da bist du schneller zu Fuß“, lacht die in Zollstock ansässige Fotografin Angela Graumann, und ihre Veedels-Kollegin, die Malerin Renate Geiter wirft breit grinsend ein: „das Beste an Zollstock ist: man ist schnell woanders.“

Angela und Renate sind zwei von vier in Zollstock lebenden Künstlerinnen und Künstlern, mit denen wir uns auf ein Kölsch getroffen haben, um mit ihnen über ein ganz bestimmtes Veedel zu plaudern.

Ein Veedel, das viel zu bieten hat — darunter die Comedy-Session im Nightwash (in seiner bürgerlichen Identität ein stinknormaler Waschsalon), die Neuerfindung der einst (und jetzt wieder) so stadtbekannten Lömmelömm („För mich noch en Kölsch, för de Jung noch eine Lömmelömm!“), und natürlich den Liebhaberclub SC Fortuna, der häufig als „Südstadtclub“ betitelt wird, aber doch auf dem Rasen des Südstadions — und damit eindeutig (oder: gerade noch so) in Zollstock spielt.

Impression vom Höninger Weg. Bild: Renate Geiter.

Das Vierergespann muss es wissen. Schließlich wohnen sie allesamt in Zollstock—den Aquarellisten Walter Raab brachte der Krieg bereits 1945 ins Viertel, wo er als Neunjähriger Obdach fand, nachdem die Familie 1943 im benachbarten Bayenthal ausgebombt worden war. Für 2018 haben sie gemeinsam einen Kalender mit Malereien und Fotografien herausgebracht, die während zahlreicher Streifzüge durch Zollstock entstanden sind.

Aus dem Kölsch wurde im Handumdrehen ein ganzer Kranz, und aus der Unterhaltung ein kunstbewegter Austausch in und über Zollstock in Worten und Bildern.

Meine Südstadt: Ihr streift regelmäßig durch das Veedel und habt den lokalen Bezug für eure Kunst entdeckt. Was inspiriert euch an Zollstock?

Walter Raab: Aus historischer Warte war die Zollstocker Bevölkerung nicht gerade kulturfreundlich. Hier wohnten vor allem Reichsbahnangestellte, Polizisten, Zollbeamte. Deshalb nannte man Zollstock auch „Schutzmannshausen“. Das waren Leute, die hatten hier ihre Schrebergärten, die ihnen über die Runden halfen, die legten sich nach dem Nachtdienst zum Schlafen in die Gärten, dann kam die Frau um 14 Uhr mit dem Kaffee vorbei. Das war ein ganz anderes Leben als in unseren „Nachbarvororten“ Sülz und Klettenberg, die kulturell schon früh bessergestellt waren.

Angela Graumann: Ich finde, man entdeckt hier immer wieder neue Ecken, die man so auch in Berlin finden könnte…

Renate Geiter: …Zollstock schärft den Blick für das Besondere.

Der „Autofriedhof“ am Gottesweg birgt – zumindest Motivtechnisch – so einige Schätze. Foto: Angela Graumann.

Walter Raab: Das Grüne dominiert hier sehr stark. In den 20er Jahren wurde viel gebaut, etwa die Riphahn-Siedlung, da findet man immer noch zahlreiche Hinterhöfe mit wunderschönen Parks.

Norbert Goertz: Mich inspiriert auf jeden Fall der Kalscheurer Weiher! Ich bin immer überrascht, dass da so wenige Leute sind. Da findest du immer einen Platz…

Renate Geiter (zum Interviewer): …schreib das bloß nicht rein! (lacht)

Walter Raab: Beim Kalscheurer Weiher assoziieren sich bei mir immer die Zustände direkt nach dem Krieg. Da war nur Beton und kein Wasser drinnen — ideal zum Fußballspielen! Wir haben uns damals gewünscht, dass da Wasser zum Baden drinnen wäre.

Kalscheurer Weiher im Herbst. Bild: Walter Raab.

Gibt es irgendwas, was man in anderen Veedeln so nicht findet?

Norbert Goertz: Die Indianersiedlung, auch das „Kölner Minnesota“ genannt. Die einst wilde Siedlung am Kalscheurer Weg ist noch zu Adenauers Zeiten in den 20ern gegründet worden, da haben ´ne Menge Künstler aus der Straßenmusikerszene gewohnt — etwa Klaus der Geiger

Angela Graumann: …das ganze Rotlichtmilieu – das „Gesocks“ – wurde da herausgebracht…

Norbert Goertz: …da haben sich alle möglichen Leute niedergelassen, eine bunte Mischung inklusive Kleinkrimineller. Die Siedlung hatte damals einen üblen Ruf. In den 70ern haben dann viele das Hippieleben dort ausprobiert. Ich bin selbst 2003 durch Zufall in der Indianersiedlung gelandet. Ist schon interessant, wenn du mit Alteingesessenen von dort sprichst. Eine Frau erzählte mir: „Ach damals…jeder mit jedem…ständig hatten wir Läuse!“ Das Leben in der Kommune hatte also auch seine Schattenseiten (lacht).

In den 80ern drohte dann die Vergrößerung des anliegenden Südfriedhofs, da sind die Kommunarden auf die Barrikaden gegangen. Die Bahn, der das Grundstück gehört, wollte das Gelände auch mal verkaufen, da haben die Leute eine Genossenschaft gegründet und der Bahn das Gelände abgekauft.

Eine Schaukel lädt in der Indianersiedlung zum Verweilen ein. Foto: Norbert Goertz

Wie würdet ihr das Verhältnis zwischen der Südstadt und Zollstock beschreiben?

Walter Raab: In der Südstadt geboren zu sein, ist für einen Kölner natürlich das Höchste (grinst). Die „Bläck Fööss“ haben das Veedel ja auch besungen [mit dem Song „Et Südstadt-Leed“, Anm. d. Red.]. In Zollstock wurden damals in sogenannten „Übergangshäusern“ diejenigen Familien untergebracht, die durch den Umbau der Severinsbrücke in den 70er Jahren wegmussten. So eine gewaltsame Umsiedlung bringt viel Unmut mit sich, und die wohnten hier auf allerengstem Raum und ohne eigenes Bad. Die wurden nicht gegrüßt und wie Ausgestoßene behandelt. 1974 fuhren die Bläck Fööss mit einem Lastwagen nach Zollstock, zogen die Plane hoch, und hielten hier eine Kleindemonstration ab, auf der sie Badezimmer für die Umgesiedelten forderten.

Impression vom Höninger Weg. Bild. Renate Geiter.

Renate Geiter: Die Südstadt ist einfach schön. Die Häuser, die Kaffeekultur—man fühlt sich wie im Süden. Diese Schönheit haben wir hier (noch) nicht. Zollstock ist nicht schick…

Walter Raab: …dafür wurden in der Südstadt viele alte Geschäfte herausgetrieben. Früher gab es auf der Severinstraße richtig schöne kleine Läden: Backwaren, Schlossereien, Zoogeschäfte—jetzt ist alles ein wenig Schickimicki, so eine Mischung aus Restaurant und Bistro, die die Dominanz der Brauhäuser aufweicht. In den 60ern gab´s das noch nicht, da konnte ich das Wort ‚Bistro‘ nicht einmal schreiben! Naja, aber der Wandel ist immer da…

„Op de Eck“ an der Veedelskneipe. Bild: Walter Raab.

Wie wird sich Zollstock in 20 Jahren verändern?

Renate Geiter: ich glaube, es wird nicht sehr anders sein. Vielleicht ein bisschen schicker. Man sieht ja, dass der Siedlungscharakter weitergeführt wird und als Konzept für Zollstock erhalten bleibt. Bei Neubauten werden meist keine einzelnen Baulücken geschlossen. Stattdessen entstehen auf großen Flächen neue Siedlungen.

Angela Graumann: Zollstock ist wie ein eigener Stadtstaat! (lacht)

Renate Geiter: Ich finde, Zollstock hat noch viel Potential. Es weht so ein Wind, der da sagt: da passiert noch was.

Besagter Zollstock-Kalender 2018 kann für 20 Euro bei Bücher Weyer und die Halle Zollstock erworben werden. Mehr Infos findet ihr hier.

In Zukunft wird meinesuedstadt.de in unregelmäßigen Abständen über Zollstock berichten. Themenvorschläge und Infos gerne an redaktion@meinesuedstadt.de

 

Text: Johann Zajaczkowski

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