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Kultur Politik

Ein Kleid von sechs Millionen

Dienstag, 31. Juli 2018 | Text: Susanne Wächter | Bild: Susanne Wächter

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Es ist nur ein Kleid und doch bedrückt sein Anblick. Es ist ein besonderes Kleid, ein KZ-Häftlingskleid, das unter anderem von Ruth Forster, einer Jüdin, ab Herbst 1944 getragen wurde. Am Institut für Restaurierungs- und Konservationswissenschaften am Ubierring wurde es jetzt im Rahmen einer Bachelor-Arbeit von Susanne Schumann museumsfertig konserviert.
Wiemker und Langer am Institut für Restaurierungs- und Konservationswissenschaften

Zwischen Faszination und Schmerz

Da liegt es, auf einem Tisch in der Mitte eines kleinen Raumes in der weiten Etage. Prof. Annemarie Stauffer, Leiterin der Studienrichtung, Dr. Heribert Lange und Johannes Wiemker vom Forum Juden-Christen Atlkreis Lingen sowie Studentin Susanne Schumann stehen am Rand. Ihre Blicke sind auf das Kleid gerichtet, dessen Ärmel zusammengelegt sind und wo einige Ränder ausgepolstert wurden. Es sind Blicke zwischen Faszination und Schmerz. Wiemker und Lange kannten Ruth Forster sehr gut. Die beiden Herren aus Lingen sind im Besitz des Kleides, das Forster ihnen zu Ausstellungszwecken überlassen hat.
„Wir sind dem Kleid mehr schuldig“, sagt Wiemker und spricht damit die frühere Lagerung an. Bislang wurde es in einer normalen Vitrine in der Alten Dorfschule Lingen den Besuchern präsentiert. Aber Holz und Anstrich sowie die Lichtverhältnisse und auch Temperaturschwankungen machten den Fasern zu schaffen. Wiemker und Lange suchten Rat beim Kölner Institut.
KZ-Häftlingskleid mit Zettel

Das Kleid

Ein solches „Objekt“ zu konservieren, übersteige eigentlich den Aufgabenbereich einer Bachelor-Arbeit, wie Professorin Stauffer sagt. In Susanne Schumann sei aber schnell eine kompetente und engagierte Studentin gefunden worden. Es klingt nüchtern von einem „Objekt“ zu sprechen. Auch Schumann wählt zu Beginn eher distanzierte Worte bei ihren Erklärungen, was sie unternommen habe, um das Kleid ausstellungstauglich für viele Jahrzehnte zu konservieren. Sie spricht von Fasern, von Materialanalysen, von „dem Kleid“ als handele es sich um ein normales Kleidungsstück. Doch fragt man sie, ob sie während des wochenlangen Prozesses auch emotional an die Sache rangegangen sei, gibt sie zu, so manches Mal innehalten gehabt zu müssen.

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„Die Geschichte von Ruth Forster geht nicht spurlos an mir vorüber. Für die Arbeit musste ich mich auch intensiv mit ihrem Leben, mit ihrer Deportation und ihren Erlebnissen auseinandersetzen“, sagt Schumann. Einmal, nachdem sie sich Videomaterial und Bilder angeschaut habe und zum Kleid zurückgekehrt sei, habe sie für eine Weile pausieren müssen. „Es ging nicht, ich konnte nicht daran weiterarbeiten wie bisher“, gesteht sie.
KZ-Häftlingskleid Susanne Schumann

Ein Kleid, vom Menschen ausgepolstert

Doch was ist genau getan worden? Das Kleid hat Löcher, ist verschmutzt, hat braune Flecken und zeigt an einigen Stellen Ausbesserungen. In einem ersten Schritt hat sie die Fasern mikrokospisch analysiert. Das Kleid besteht aus einem Mischgewebe, das im Winter nicht besonders warm hält, im Sommer die Hitze nicht abhält. Schumann hat das Kleid zunächst mit leichter Saugkraft von grobem Schmutz und Staub befreit. Die Knöpfe hat sie so befestigt, dass sie nun Jahrzehnte halten. Und weil ein Kleid für einen Menschen gemacht wurde, der es auspolstert, hat Schumann dies an einigen Stellen mit Polyesterwatte aufgespolstert, sonst könnte der Stoff durch das Liegen Schaden nehmen.
KZ-Häftlingskleid Auspolsterung

Sie hatte es irgendwo im Schrank gelagert

In weiteren Schritten schaute sie sich die räumlichen Gegebenheiten in Lingen an, schrieb ein Konzept, wie die Vitrine beschaffen sein muss, um es viele Jahre unbeschadet präsentieren zu können. Damit es auch transportiert werden kann, liegt es auf einer dünnen Kartonage. „Früher haben wir es einfach immer ordentlich zusammengefaltet, wenn wir es zu besonderen Gedenktagen andernorts ausgestellt haben“, sagt Wiemker. Auch von Ruth Forster wissen sie, dass sie es irgendwo in einem Schrank gelagert hatte.

Kosten sind dem kleinen Museum Lingen nicht entstanden. Lediglich das Konzept zur Raumausstattung mit Licht, Temperaturmesser und besonderem Lack, der das Kleid nicht schädigt, müssen die Lingener nun in Eigenregie und auf eigene Kosten umsetzen.
Es komme häufiger vor, dass Museen an das Institut heranträten, um Objekte zu restaurieren und zu konservieren. Für die Studenten und das Lehrpersonal seien dies immer ganz besondere Aufgaben, wie Stauffer sagt.

Text: Susanne Wächter

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