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Kultur

Köln – die Hauptstadt der süßen Verführung

Montag, 23. Mai 2016 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Ohne spezielle Erwartung komme ich am wunderbar sonnigen letzten Donnerstag im Schokoladenmuseum an. Es wird heute – natürlich – um Schokolade gehen. Und um das Rheinland. Anlass ist die Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung “Schokoladenrausch im Rheinland”. Und was ich da alles erfahren habe! Wer hätte das gedacht?

Die Veranstaltung findet bei tropischen Temperaturen nicht in der Cafeteria des Museums statt, sondern wird kurzerhand auf die luftige Terrasse verlegt. Gleich zu Beginn steht das Plakat zur Ausstellung im Mittelpunkt. Ein majestätischer, historischer Bau, umrahmt von Schokolade und Produktionsrädern mit einer Karte des Rheinlandes und einem blaue angedeuteten Rhein. “Wissen Sie, um welches Gebäude es sich hier handelt?” fragt uns Klaus Schopen vom Schokoladenmuseum. Wir raten: Das Stollweck-Haus? “Nein!” triumphiert er. Er habe es aber auch nicht gewusst, sagt er. Das sei der ‘Kamelle Dom’. Dieses Gebäude habe früher dort gestanden, wo heute der Vringstreff sei. Ein überraschtes Raunen geht durch die Menge. Wie schade, dass es dieses wunderschöne Gebäude nicht mehr gibt.

Nun eröffnet Annette Imhoff in ihrer neuen Rolle als Geschäftsführerin erstmals eine Pressekonferenz  – und das mit einer sehr persönlichen Rede. Die Sonderausstellung “Schokoladenrausch im Rheinland” beschäftige sich mit der wechselhaften und faszinierenden Geschichte der Schokoladenhersteller im Rheinland. Nachdem ihr Vater, Hans Imhoff, damals noch Schokoladenproduzent an der Mosel, kurz nach ihrer Geburt im Jahre 1971 Aufsichtsratsvoritzender der insolventen Stollwerck AG wurde, sollte Annette Imhoff die lebhafte Geschichte der süßen Verführung im Rheinland hautnah beobachten können. Bis zum Jahr 2002 (als Stollwerck an das Schweizer Unternehmen Barry Callebaut verkauft wurde) war ihre Jugend geprägt vom Wiederaufbau und Ausbau des Unternehmens Stollwerck, dem Umzug von der Südstadt in die neue Fabrik in Porz, dem Kauf der Schokogrößen Sprengel, Eszet, Sarotti sowie dem Aufbau des internationalen Geschäftes – nach dem Ende des kalten Krieges streckte die kölsche Schokoladenbranche ihre Fühler nach Polen, Russland und Ungarn aus.

Mit tausenden Stunden Recherchearbeit spürten die Ausstellungsmacher dem Weg der Schokolade im Rheinland im Zeitraum ab 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart nach. Die Idee zu dieser aufwändigen Spurensuche stammt von Prof. Dr. Margrit Schulte Beerbühl, Historikerin an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Bei einem internationalen Symposium im Schokoladenmuseum im Jahre 2012 habe man diese aufgegriffen und das Projekt gestartet. Über die Universität konnte dafür ein Seminar mit mehreren studentischen MitarbeiterInnen finanziert werden und das, was sie detektivisch erarbeitet haben, ist spannend.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Schokolade noch ein Luxusartikel, ein Getränk des dekadenten Adels. Die Auszeichung als ‘königlicher Hoflieferant’ war sehr begehrt. Die Konkurrenz war schon damals in diesem lukrativen Markt groß. Schokolade wurde dann allmählich zum Konsumgut, und die Hersteller wurden kreativ im Strecken der teuren Inhalte mit billigen Füllstoffen wie Kastanien, Sägemehl oder sogar: geriebenen Ziegelsteinen! Stollwerck distanzierte sich von solchen Praktiken und schuf eigens Labore zur Überwachung der Qualitätsstandards. Eine große Innovation. Mit dem Verkauf des Unternehmens Stollwerck 2002 endete auch die Ära der großen Schokoladenproduktionsstätten in Köln. Und am 31. März 2016 war dann endgültig Schluss mit diesem Standort. Die Fabrik in Porz wurde geschlossen und Stollwerck ist nun wirklich ‚nur noch’ Geschichte hier bei uns. Das Schokoladenmuseum, ist damit neben einigen edlen Konditoreien derzeit die einzige Produktionsstätte von Schokolade in Köln.

Und dabei gab es hier in den letzen 200 Jahren 120 verschiedene Schokoladenhersteller. Wer hätte das gedacht. Kölle – die Stadt der süßen Verführung im Rheinland! In 17 Städten des Rheinlands haben die StudentInnen der Heinrich-Heine-Universität rund 500 Schokoladenhersteller ausfindig gemacht. Einige der Unternehmen hatten gut 1000 MitarbeiterInnen. Viele von ihnen waren traditionsreiche Familienunternehmen. Doch mit seinen 120 Herstellern war Köln die Schokoladen-Hauptstadt. Von 1919 bis 1963 gab es die meisten Eröffnungen, aber auch gleichzeitig Schließungen.

 


Kamelle Dom vor dem Zweiten Weltkrieg, heute beherbergt ein Nachkriegsgebäude den Vringstreff. / Bild: Schokoladenmuseum Köln.

Prof. Dr. Schulte Beerbühl erklärt, dass das Rheinland das Zentrum der Schokoladenherstellung war. Ausschlaggebend war natürlich dafür auch der Fluss selbst und die Nähe zu Rotterdam. Das war ein sehr wichtiger Transportweg für die Rohstoffe aus Übersee. Die Industrialisierung der Region führte auch dazu, dass es viele wohlhabende Bürger gab, die sich das Luxusgut Schokolade leisten konnten. Und: Im Rheinland gab es viele Milchbauern, die die Milch für die Produktion der Schokolade lieferten und es wurden viele Zuckerrüben angebaut. Beste Bedingungen, um zum Schokoladenzentrum weltweit aufzusteigen.

Andrea Durry, Kuratorin im Schokoladenmuseum, und Thomas Schiffer, Museumspädagoge im dort, laden zu einer Führung der Sonderausstellung ein. Wir passieren Schaukästen und erfahren viel über traditionsreiche Familienunternehmen des Rheinlandes, die alle verschwunden sind. Auf eine Fotografie möchte ich euch aufmerksam machen: Ende des 19. Jahrhunderts wurde die komplette Belegschaft des Unternehmens Stollwerck fotografiert. 1.934 MitarbeiterInnen wurden in Berufsgruppen unterteilt und hierarchisch aufgestellt: vorne natürlich die wichtigsten Akteure. Durch Operngläser könnt ihr Details der Fotografie vergrößert sehen. So erhalten die ArbeiterInnen ein Gesicht.

Aber nicht nur über die süßen Seiten der Schokolade möchte diese Sonderausstellung informieren. Auch ein paar bittere Aspekte der Schokoladenherstellung im Rheinland werden thematisiert. Zum Beispiel die Arbeitsbedingungen. Die ungelernten ArbeiterInnen haben locker eine 65-Stunden-Arbeitswoche hingelegt und mussten auch samstags arbeiten. Die Männer mussten die schweren Säcke voller Rohstoffe auf ihrem Rücken tragen. Der viele Schweiß, der dabei entstand, konnte aber nicht einfach so abgewaschen werden. Die meisten ArbeiterInnen besaßen kein Bad zu Hause. Da hatte Stollwerck wieder eine gute Idee: Es wurden Schwimmbäder für die ArbeiterInnen und Badehäuser errichtet, um das Hygieneproblem zu bewältigen. Und die ArbeiterInnen bekamen Arbeitskleider. Auf dem Severinskirchplatz könnt Ihr heute noch das Denkmal an die jungen „Stollwerckmädchen“ sehen.

 


Historische Szenen verbergen sich hintern der Mauer.

Weitere dunkle Kapitel in der Geschichte der Schokolade ist die Zeit des Kolonialismus. Stollwerck hatte sich hier besonders im negativen Sinne hervorgetan. Deutsche Kolonialisten wollten deutsche Schokolade produzieren und wollten den ‚Wilden’ die ‚Zivilisation’ bringen. Und dies in Form von Sekt und Schokolade. Im Schokoladenmuseum gab es zu diesem Thema bereits eine Vitrine, die nun erweitert wurde.

Im Nationalsozialismus zeichnete sich die Firma durch ihre Parteinähe aus. Stollwerck wurde als nationalsozialistischer Musterbetrieb ausgezeichnet und durfte für die Armee Schokolade herstellen. So wurde die Produktion gesteigert und das Unternehmen konnte den Zweiten Weltkrieg unbeschadet hinter sich bringen. Im Gegensatz dazu hat die Firma Novaesia sich gegen die Partei gewandt – und wurde sofort geschlossen. In einer Vitrine ist die Urkunde aus der NS-Zeit ausgestellt. So viel Geschichtsbewältigung muss sein.

Ein weiterer interessanter Bereich in der Ausstellung beschäftigt sich mit der „Gesundheitsschokolade“. Die Firma Trumpf war auf die Idee gekommen, dass Schokolade mit Quecksilber Syphilis heilen könnte. Auch Schokolade mit Meersalz sollte besonders heilsam sein.

In der aufwändig gestalteten Ausstellung sind insgesamt 231 Exponate von 30 Herstellern zu sehen. Die meisten existieren nicht mehr. Die Schaukästen sind in dem ganzen Museum verstreut und mischen sich unter die Dauerausstellung. Damit sie gut erkannt werden können, sind sie mit einer auffälligen Farbgebung in Jugendstil-Rot markiert. Die Farbe symbolisiert die Epoche, und die Dekorationen der Vitrinen ist typisch für diese Zeit.

In den Vitrinen werdet Ihr wunderschöne, historische Schokoladen-Verpackungen sehen, Rezepte, Leihgaben von Firmen und Privatpersonen und eigens auf Ebay ersteigerte Objekte. Es gibt auch eine Aktivstation, an der Ihr Eure Kräfte messen könnt.

Im Rahmen des Projekt-Seminars an der Heinrich-Heine-Universität, sind 10 Radiobeiträge zu den unterschiedlichsten Themen entstanden: Die Geschichte der Schokolade, Schokolade & Gesundheit, Lohmann & Neugebauer, Novaesia, Kaisers Kaffee & Wissoll, Düsseldorfer Schokoladenunternehmen, die Schokoladenautomaten Ludwig Stollwercks, der Schokoladenrebell Albert Stollwerck, Hans Imhoff und die Gründung des Schokoladenmuseums und die Gründung des deutschen Schokoladenverbandes 1877.

Eine sehenswerte Ausstellung, die Euch viel Interessantes rund um das Thema Schokolade im Rheinland vermitteln kann.

 

Die Sonderausstellung „Schokoladenrausch im Rheinland“ ist vom 12. Mai  bis zum 14. November 2016 zu sehen.

Die Sonderausstellung wird von einem Rahmenprogramm begleitet:
Führung mit Verkostung, ab 4. Juni jeden ersten Samstag im Monat um 14:00 Uhr
Abendliche Führung mit Verkostung, 23.6.16 um 18:30 Uhr

Führung mit Verknüpfung ans Veedel, “Kölns Schokoladenseite – Die Firma Stollwerck im Severinsviertel. Stadtführung mit anschließendem Besuch des Schokoladenmuseums”, 9.7.16 um 14:00 Uhr

Wissenschaftliche Vorträge:
„Stollwerck  – Das Ende eines traditionsreichen Kölner Unternehmens“, 15.9.16, 18:30 Uhr
„Schokoladenrausch im Rheinland. Wechselhafte Geschichte einer traditionsreichen Industrie“, 20.10.16, 18:30 Uhr
„Die rheinische Schokoladenindustrie und der Kolonialismus“, 17.11.16, 18:30 Uhr
 

Text: Aslı Güleryüz

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