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Gesellschaft

Laufen für Brigitte

Freitag, 2. Juni 2017 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Laufen ist wieder in! Überall sprießen die Laufgruppen aus der Erde, auch bei uns im Veedel. Doch eine der Gruppen ist besonders: Sie unterstützt Brigittes Büdchen.

Wir stehen vor dem Büdchen auf der Merowingersraße 73. Es sind schon sechs LäuferInnen da. Bunt gekleidet stehen sie auf dem Bürgersteig und unterhalten sich. Sie sind etwas aufgeregt: Gleich zwei Neue kommen heute. Die Gruppe findet stetig Zuwachs. Rainer erklärt das lachend so: „Letzte Woche haben wir im Kiosk Anne kennengelernt. Sie war dort einkaufen und hat unsere Flyer gesehen. Da kamen wir ins Gespräch und haben gesagt, dass sie mitlaufen solle. Jetzt ist sie heute zum ersten Mal dabei! So war das bei mir auch. Alex hat zu mir gesagt, hey du, nächste Woche, mitlaufen. Das habe ich der Karin gesagt. So geht das immer weiter.“

Vor knapp anderthalb Jahren hat Torsten sich gedacht, dass alleine zu laufen nicht so viel Spaß macht wie in einer Gruppe. Also aktivierte er kurz entschlossen sein privates Netzwerk, um eine Laufgruppe ins Leben zu rufen.

Kölsche Laufgruppe

Der erste Lauf der Gruppe fand an einem für Kölner ganz besonderen Tag statt: Nämlich am 11.11! Als andere noch am 11.11.2015 in der Südstadt feierten, lief die Gruppe um 14:30 Uhr auf das Rheinufer zu. „Fast sind wir an den ganzen Süßigkeiten auf dem Boden kleben geblieben“, erinnert sich Sigi. „Bei uns bestimmt immer der Langsamste das Tempo“, fügt sie hinzu.

 

 

Nadine ergänzt: „Wir laufen der Geselligkeit wegen und nicht, um Rekorde aufzustellen.“ Matthias bestätigt: „Früher bin ich alleine gelaufen. Das ist aber langweilig. Mit einer Gruppe zu laufen, ist ein anderes Gefühl“. Damit alle mitlaufen können, egal ob man schon ein bisschen Erfahrung hat, Anfänger ist oder Marathonläufer, gibt es sogar zwei Gruppen.

 

Die erste Gruppe startet um 19:30 Uhr und läuft ca. 10 km. Die zweite Gruppe trifft sich um 20:00 Uhr am Büdchen und läuft ca. 7 km. So treffen dann beide Gruppen gleichzeitig wieder bei Brigitte ein. Gelaufen wird am Rhein. Die erste Gruppe läuft bis zur Rodenkirchener Brücke, einmal rüber und über die Südbrücke zurück. Die zweite läuft über die Südbrücke und dann über die Severinsbrücke zurück.

After-Run-Drink

Da manche Läufer direkt von der Arbeit kamen, wollten sie gerne ihre Taschen irgendwo sicher unterbringen. Also wurde Brigitte gefragt, da die Gruppe sich eh an ihrem Büdchen traf. Kein Problem, Brigitte deponierte alle Wertsachen sicher hinter der Theke. Nach dem Lauf hingen die Zungen natürlich ein wenig und die Gruppe sehnte sich nach einem kühlen Getränk. Wo besser einkaufen als in Brigittes Büdchen? An den Stehtischen im Kiosk nimmt man nach der körperlichen Betätigung traditionell einen After-Run-Drink zu sich. Dabei unterhält man sich angeregt. Überhaupt handelt es sich um eine sehr redselige Truppe. Auch beim Laufen reden alle miteinander.

Lauftreff-Büdchen Kölns

„Im Laufe der Zeit haben wir mitbekommen, dass es Brigittes Büdchen schwer geht. Im März dieses Jahres ist Brigitte auch überfallen worden. Da kam uns die Idee, Brigitte zu helfen. Die Supermärkte und Tankstellen haben längere Öffnungszeiten. Die Bäckereien sind sonntags geöffnet. Das macht es schwer“, erklärt Nadine. „Da haben wir überlegt, wie kann man ihr helfen? Wir haben einen Flyer gedruckt, um auf uns und Brigittes Schieflage aufmerksam zu machen. Wir haben zu Spenden aufgerufen. Da haben wir jede Menge Geld eingesammelt.“

 

Da hat auch die Lutherkirche großzügig gespendet. Pfarrer Hans Mörtter findet das selbstverständlich. Am Telefon erzählt er mir: „Ich kenne Brigitte gut und bin regelmäßig bei ihr im Kiosk. Die Flyer habe ich sofort am ersten Tag gesehen und bin aktiv geworden. Wenn viele Menschen ein bisschen unterstützen, wäre Brigitte geholfen. Die benötigte Summe ist überschaubar. Die Lutherkirche hat damals 1.500 Euro gesammelt.“

Nadine erzählt weiter von den Plänen: „Wir würden Brigittes Büdchen gerne zum 1. Lauftreff-Büdchen Kölns machen. Auch andere Laufgruppen könnten sich hier treffen. Je mehr Leute sich hier zum Laufen treffen, desto mehr konsumieren sie nach dem Lauf. Und das hilft Brigitte. Mit Brigitte haben wir überlegt, Schließfächer in einem Nebenraum zu installieren. Da könnten alle ihre Taschen während des Laufes verwahren. In dem Nebenraum könnte man auch eine kleine Umkleide einrichten. Und streichen würden wir gerne. Aber drinnen soll schon alles bleiben wie es ist. Die Einrichtung ist Brigittes Stil“. Matthias wird es ganz warm ums Herz, wenn er von Brigitte redet: „Das Büdchen ist ihr Leben. Jeder Kunde, egal ob Stammkunde oder neu, wird erst einmal herzlich und persönlich angesprochen. Brigitte liebt ihr Büdchen.“

Run, run, run!

Die Gruppe trifft sich auch schon mal zu Themenläufen. So gab es den Zugweg-Lauf (Kölsche Laufgruppe eben), den Weihnachts-Lauf, den Romanische-Kirchen-Lauf, und auch außerhalb von Köln wird gelaufen. Auch zum Tanz in den Mai haben sie sich getroffen und an der Südstadt-Safari teilgenommen. Einige LäuferInnen bereiten sich gerade auf den Ahraton vor. Da wird in den Weinbergen gelaufen. Und auch nach Frankreich soll es gehen, zum Marathon Du Medoc.

 

 

„Wir träumen davon, mal in einer großen Kolonne von 200 Menschen zu laufen“, schwärmt Sigi. „Da würden wir uns alle bei Brigitte treffen und mit so vielen Menschen durch die Südstadt laufen“. So kam dann auch der Name der Gruppe zustande: ‚Oh! De Kolonne’. Das würde dann nämlich die Bevölkerung verzückt ausrufen, wenn sie so viele LäuferInnen auf einmal sehen würde. Das könnte durchaus bald passieren, dass aus dem Kolönnchen eine große Kolonne wird.

Brigittes Lächeln

Die Schulden haben Brigitte große Sorgen und schlaflose Nächte bereitet. Seit 25 Jahren steht sie täglich in ihrem Kiosk von 13 bis 1 Uhr. An Ruhestand denke sie nur manchmal. „Was ich mir mal wünsche, ist einmal einen Tag frei zu machen“, gesteht sie mir. „Ich bin gerne hier. Die Menschen sind alle sehr nett. Meine Stammkunden wollen nicht, dass ich aufhöre. Die Menschen sind mein Leben! Sie sind alle so nett hier, egal, wo die herkommen.“

Um Brigitte alle Sorgen zu nehmen, werden 7.500 Euro benötigt. Hierfür hat ‚Oh! De Kolonne’ einen Spendenaufruf über leetchi gestartet. Wer Brigitte unterstützen möchte, kann dort gerne etwas spenden. Oder fleißig bei Brigitte einkaufen. Wie Nadine: „Ich arbeite am Ubierring und spaziere in meiner Mittagspause zu Brigitte. Da gönne ich mir dann einen kleinen Nachtisch.“
 

 

Mehr im Netz

http://odk.koeln/2017/05/10/rettet-brigittes-buedchen/
https://www.facebook.com/Brigittesbuedchen/

Brigittes Büdchen
Merowingerstraße 73
50677 Köln

 

Text: Aslı Güleryüz

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