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Kultur

„Wir sind die Zukunft!“

Montag, 30. Mai 2016 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

„Alter, nicht schon wieder Flüchtlinge!“ und das Stück „Home Sweet Home“ geht gleich los mit den negativen Meinungen zu diesem Thema. Die zehn Jugendlichen schwenken schnell um und beleuchten das Ganze aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Stück hatte am letzten Donnerstag im Comedia Theater Premiere. MeineSüdstadt hat es für Euch gesehen.

Das Bühnenbild ist spartanisch. Eine Projektionsleinwand und unterschiedlich hohe Metalltische. Das ist alles, was die Jugendlichen brauchen. Sie stellen sich vor das Publikum und starren es an. Hält man das aus? Sie haben Hunger. Und alles, was sie haben sind Chips und Schokolade.
Was haben die Ereignisse aus der Sylvester-Nacht für die Jugendlichen verändert? Rufen jetzt besorgte Eltern zwanzig Mal am Tag ihre Kinder an? Wie sehen sie die Flüchtlingskrise’? Was wissen sie über Flucht oder zwangsweisen Umzug in neue Umstände? Was ist eigentlich ein ‚Zuhause’? und wie sieht die Zukunft aus?

„Jetzt sind wir dran“

In kurzen Videoeinblendungen auf die große Leinwand stellen sie, ähnlich wie in einem Kurznachrichtenmagazin, ihre Fragen an die Politiker: „Herr Obama, haben sie eigentlich auch mal Angst um ihre Töchter?“. Sie wollen nicht, dass über Schlaglöcher auf Straßen geredet wird. Sie wollen ihre Themen ansprechen und auch einmal gehört werden. „Jetzt sind wir dran!“, und los geht es mit den Themen, die die Jugendlichen beschäftigen: Bessere Schulbildung, Gleichheit der Geschlechter, weniger Leistungsdruck, Religionsfreiheit, sexuelle Freiheit & Akzeptanz, mehr Toleranz, Abschaffung der Kriege, mehr Umweltschutz, mehr Zusammenhalt unter Freunden, usw. usw. Alles ganz legitime Dinge. Deren Existenz sollte man eigentlich in einem der reichsten Länder der Welt voraussetzen. Die Realität sieht aber anders aus.

Wohlfühlen in Köln?

Wie füllen sich die Worte ‚Heimat’, ‚Zuhause’? Es sollte sich um das Gefühl des sich Wohlfühlens handeln. „Wenn ich hier aus dem Fenster gucke, dann sehe ich Haus an Haus an Haus an Haus. Kahle Wände. Asis.“, stellt Laura fest. Das klingt nicht, als ob sie sich hier richtig wohl fühlt. Dann denkt sie an den Ort, an dem sie sich wohl fühlt. Auf der Leinwand erscheinen Bilder vom Meer, der Nordsee, Natur, Idylle. „Das ist Heimat,“ erklärt sie. Und alle können es verstehen. Nichts wie weg von hier? Zur Musik von Clueso „Pack meine Sachen“ tauchen Umzugskartons auf und die jungen SchauspielerInnen packen ein, was ihnen wichtig ist: Das Lächeln der besten Freundin, Gespräche mit der Familie auf Kölsch, das Quieken des Meerschweinchens, eine Katze, weil die eigene im Irak zurückgelassen werden musste und das Handy. Handy?! Plötzlich reagieren die anderen Jugendlichen herablassend. Doch die Jugendliche verteidigt wütend ihren Wunsch: „Mein Handy bedeutet für mich Zuhause, weil ich so Kontakt zu meiner Familie haben kann, egal, wo ich bin!“. Macht Sinn. Freiwillig gehen ist eine Sache. Wie aber ist es, wenn man unfreiwillig gehen muss? Wie ist es, wenn Eltern sich trennen? Wenn man aufgrund einer Anstellung eines Elternteils in eine andere Stadt umziehen muss? Alles ist fremd und belastend. Neue Schule, neue Freunde, neue Umgebung. Ganz ungefragt und ungewollt. Dazu haben die Jugendlichen Einiges zu sagen.

„Wir schaffen das“

In einer Nachrichtenmagazinsequenz wird Frau Merkel befragt. Ob sie glaube, dass Konkurrenzdruck sich positiv auf die Gesellschaft auswirke? Wie wirkt sich permanente Leistungsoptimierung auf die Gesellschaft aus? „Wir sind die Jugend!“ bricht es aus den Jugendlichen heraus. „Wir wollen gehört werden! Wir schaffen das!“, sagen sie ironisch. Mit diesem Stück gelingt es ihnen, das Publikum zu beeindrucken. Sie sind in dem wattebauschartigen Raum zwischen Kind und Erwachsenem. Sie zeigen, dass sie mit Witz, Intelligenz und Gefühl ihre Themen ansprechen können. Und die sind wichtig.

„Herr Assad, glauben Sie an Gott? Können Sie sich leiden?“, „Herr Barzani, warum gibt es kein Kurdistan?“, „Frau von Storch, glauben Sie wirklich, dass das Grundgesetz und der Islam unvereinbar sind?“, „Herr Cameron, halten Sie Europa wirklich für gescheitert?“, „Herr Erdo?an, wie halten Sie es mit der Pressefreiheit?“. Die Jugendlichen wollen den Politikern auf den Zahn fühlen und Fragen stellen, die wirklich relevant sind.

Was sind Grenzen?

Was für Grenzen gibt es eigentlich? Die Generation, die auf der Bühne steht, ist in die EU hineingeboren. Sie haben wahrscheinlich noch nie ein Visum beantragen müssen. Sie sind wahrscheinlich noch nie an einer Landesgrenze aufgehalten und kontrolliert worden. Zumindest nicht in Europa. Sie kennen andere Grenzen. Die persönlichen Grenzen. Die Grenzen des eigenen Könnens, der Talente. Das beschäftigt sie. Die inneren Grenzen. Doch die Flüchtlinge kommen erst gar nicht dazu, ihre inneren Grenzen kennen zu lernen. Sie sind damit beschäftigt, die Grenzen von Ländern zu überwinden. Schnell umhüllen sich die Jugendlichen mit gold- und silberfarbiger Folie. Sie frösteln und frieren. Nur ein Umzugskarton bietet ihnen eine zerbrechliche Zuflucht. Aus den Folien entstehen Wellen. Erst sanft, dann wilder. Das Meer, eine weitere Hürde, die überwunden werden muss.

 

„Herr Assad, glauben Sie an Gott? Können Sie sich leiden?“ / Foto: Meyer Originals

Auch hierzulande wurden vor gar nicht allzu langer Zeit Grenzen gezogen und überwunden. Uromas und -Opas können noch von ihrer Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg erzählen. Wir haben ihn nicht erlebt. Wir wissen gar nicht, was Krieg ist. Oder Frieden. Wir kennen nur die Definition davon. Aber eigentlich könnten wir täglich davon betroffen werden.

„Wir sind die Zukunft!“

Doch das Stück macht Mut, zeigt  eine kritische, engagierte und empathische Jugend, die sich nicht von Politikern und Medien blenden lässt. Als Höhepunkt haben sie den Text zu dem Lied „Mit freundlichen Grüßen“ von Fanta 4 umgeschrieben. „Wir sind die Zukunft!“ singen sie selbstbewusst und versprechen: „Bevor wir fallen, halten wir euch auf!“. Das hoffen wir doch sehr.
Nach dem Stück spricht „Meine Südstadt“ mit der Regisseurin des Stücks Melanie Delvos.

Die Musik ist sehr auffallend im Stück. Wie habt ihr die ausgesucht?
Melanie Delvos: Wir haben lange überlegt über Heimatlieder. Über Kriegslieder. Es war uns wichtig, dass die Lieder auf Deutsch sind. Die Jugendlichen haben die Lieder selber ausgesucht. Zum Beispiel „Heimatlied“ von Sportfreunde Stiller, „Weit weg“ von Bosse oder „Orient Express“ von Eko Fresh. Die Texte haben sie auch alle selber geschrieben.

Wie seid ihr an das Thema Flüchtlinge herangegangen?
MD: Ich habe der Gruppe Hausaufgaben aufgegeben, wir haben viel improvisiert zu dem Thema. Wie ist es, wenn du deine Heimat verlassen musst? Wie ist es, wenn du nicht gehen willst? Sie haben auch viel Nachrichten gesehen und sind politisch geworden. Wir haben uns auch tagespolitisch leiten lassen.

Trotz vieler Sorgen endet das Stück positiv.
MD: Die Jugendlichen haben das Gefühl, nicht gehört zu werden. Das wollten wir thematisieren. Aber auch witzig. Mir war es wichtig, dass das Stück Mut macht. Das Stück wurde finanziell gefördert und wie bei „Taksi to Istanbul“ wird es im Januar eine weitere Premiere mit Profischauspielern geben, das auf unserer Stückentwicklung aufbaut.

Danke für das Gespräch.

 

Eine Produktion des Comedia Förderkreis e.V.. Gefördert vom Land NRW.
Mit Jwan Al Sorani, Janis Backhaus, Havva Sümbül Baran, Hannah Browers. Jessica Ganse, Alessa Genske, Laura Germann, Julia Schöneck, Hannah Reimann, Sara Staubermann.

Weitere Aufführungen:
Dienstag, 31. Mai um 19 Uhr
Mittwoch 1. Juni um 19 Uhr
Donnerstag, 2. Juni um 19 Uhr
 

Text: Aslı Güleryüz

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