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Kultur

Zwei Zimmer, Küche, Wolf

Mittwoch, 13. April 2016 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Francesca Magistro

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Vereinsamte junge Frau trifft im Stadtpark auf  Wolf, nimmt ihn bei sich auf und erlebt durch ihn eine Befreiung hin zu ihrem wahren Selbst. Mit Verlaub, einen Film mit diesem Plot schaue ich mir eigentlich nicht freiwillig an. Das riecht doch förmlich nach naiv-döseliger Zivilisationskritik, nach pittoresken Naturbildern, garniert mit einem Schuss „Landlust“ und mit unerträglich ergreifendem Soundtrack unterlegt.

Aber „Wild“ ist und hat nichts von alledem, stattdessen ist der Film von Nicolette Krebitz  ebenso mutige wie originelle Emanzipationsgeschichte, wie man sie so noch nie gesehen hat. Die Story: Ania (Lilith Stangenberg) ist eine zurückhaltende bis verschüchterte junge Frau, die ohne nennenswerte Sozialkontakte in einem Plattenbau in Halle wohnt. Ihr Job als IT-Spezialistin in einer Werbeagentur ödet sie  eher an, zumal sie dort kaum mehr zu tun hat, als dem Chef (Georg Friedrich) regelmäßig einen Becher Kaffee ins Büro zu bringen. Was Ania mit demselben Gleichmut erledigt, wie sie nach Feierabend manchmal zu einem Schießstand geht, sich eine Waffe ausleiht und auf Scheiben ballert. Aber dann steht da irgendwann der Wolf im Park. Einfach so. Er starrt sie an, sie starrt ihn an. Wenige Augenblicke später ist der Isegrim wieder im Gebüsch verschwunden. Im Folgenden setzt Ania alles daran, das Tier wiederzufinden, streift durch´s Gelände und legt Köder aus. Doch der Wolf verschmäht selbst die edelsten Steaks. Wie es ihr schließlich doch gelingt, das Tier nicht nur ausfindig zu machen, sondern sogar einzufangen, ist gleichermaßen so originell wie absurd, dass es hier nicht verraten wird. Jedenfalls schleppt Ania das Tier in ihre Zwei-Zimmer-Wohnung, sperrt es in einen Raum und nähert sich ihm zunächst nur in gepanzerter Ganzkörper-Montur. Doch ihre Fazination für ihren wilden Mitbewohner wächst im selben Maße, wie sie alles andere vernachlässigt: Ihren Job, ihre Lebensgewohnheiten, ihr Äußeres. Irgendwann bricht der Wolf aus seinem Zimmergefängnis aus, zerfleischt seine Wärterin wider Erwarten aber nicht, sondern lässt sich auf ein Zusammenleben mit ihr ein…

 


Immer wilder – Ania (Lilith Stangenberg) und der Wolf / Foto: (c) Heimatfilm

Nein, der Wolf wird hier nicht zum Kuscheltier. Er bleibt Wolf. Gefährlich und unberechenbar. Und man kann sich den ganzen Film über nicht sicher sein, dass er sich die Sache mit dem Lebendfutter an seiner Seite nicht nochmal anders überlegt… Auf der anderen Seite entwickelt sich die Graue Maus Ania zu einer selbstbestimmten, entschlossenen Frau, obwohl ihre Umgebung in erster Linie nur Anzeichen einer zunehmenden Verwahrlosung an ihr wahrnimmt. Im Prinzip erzählt Autorin und Regisseurin Nicolette Krebitz in ihrem dritten Spielfilm die alte „Wolfskind“-Geschichte – nur rückwärts. In ihr geht es ja um Kinder, die ohne menschlichen Kontakt in der Wildnis aufgewachsen sind, um dann von Menschen zivilisiert zu werden, doch geht Ania den Weg in die genau andere Richtung. Das Entscheidende ist jedoch, wie der Film diese Geschichte erzählt. Das ist so erfrischend frei von Pathos, Küchen-Psychologie, jeglichem Kitsch und bedeutungsschwangerer Symbolik rund um das mythengesättigte Tier, dass man irgendwann das Absurde für das Naheliegende hält.

 

Dabei leistet sich der Film den Luxus, letztlich ohne (zweibeinige) Sympathieträger auszukommen. Der Agentur-Chef, gespielt von dem einmal mehr famosen Georg Friedrich, bleibt eine rätselhaft ambivalente Figur und auch jene Ania ist eine Frau, die man weder vor noch nach ihrer Verwandlung unbedingt gern zur Freundin hätte. Wie Lilith Stangenberg (27), Nachwuchsstar des deutschen Theaters, diese Figur in ihrer Mischung aus Zerbrechlichkeit und Entschlossenheit spielt und dabei oft auch an körperliche Grenzen geht, ist allerdings schlicht grandios. Nimmt man knappe, pointierte Dialoge und einen superben Soundtrack (u.a. James Blake) hinzu, ist „Wild“ ein im besten Sinne verstörendes Ereignis. Dennoch wird es Menschen geben, die den Film nicht mögen, vielleicht sogar hassen werden. Alber kalt lassen wird er keinen. Niemand wird das Kino mit „Ach, ja. Ganz nett“ verlassen. Versprochen.
„Wild“. Unbedingt sehenswert.

 

Reinhard Lüke sprach mit Nicolette Krebitz (43) nach der Deutschland-Premiere ihres Films am 5. April 2016 im Odeon.

Meine Südstadt: Haben Sie einen Hund?
Nicolette Krebitz: Nein, noch nie gehabt.

Wie kommt man (dann) auf solch eine Geschichte?
Ich habe eine Zeitlang einen immer wiederkehrenden Traum gehabt, in dem ich von irgendwas verfolgt wurde, ohne zu wissen, was es war. Dann hat mir jemand den Rat gegeben, mich beim nächsten Mal im Traum doch einfach mal umzudrehen. Das hat funktioniert und da stand ein Wolf vor mir. Das war der Ausgangspunkt für meinen Film .

Ein Dreh mit Kindern gilt schon als problematisch, aber mit Wölfen… Die Produzenten werden vermutlich nicht begeistert gewesen sein.  
Theoretisch ja, praktisch nein. Ein Dreh mit Wölfen birgt schließlich eine Menge Risiken, die auch teuer werden könnten. Ich habe zwei Jahre lang nach einem Produzenten gesucht, bis ich mit Bettina Brokemper eine Produzentin gefunden habe, die das Buch so originell und wichtig fand, dass sie sagte: „Wir machen das!“

Vor der Kamera agieren ja zwei  Wölfe, ohne das man als Zuschauer unterschieden kann, welcher da gerade im Einsatz ist. Wo kamen die Tiere her?
Aus Ungarn, genau so wie ihr Trainer, der sie als Jungtiere bekommen und mit der Flasche aufgezogen hat. Darum ist er sowas wie der Leitwolf für sie. Wirklich zähmen kann man Wölfe nicht, aber die beiden Tiere, die im Film mitspielen, hatten auch vorher schon Dreherfahrungen, weil sie in diversen amerikanischen Werewolf-Streifen mitgewirkt haben. Was die Sache für uns erleichtert hat.

Eine furchtlose Darstellerin muss man für die Rolle der Ania ja auch erstmal finden…
Lilith Stangenberg war die absolut erste Wahl. Wir haben zwar ein Casting gemacht, aber mir war sofort klar, dass sie es sein sollte. Nicht, weil sie keine Berührungsängste mit den Wölfen hatte, sondern weil sie als Schauspielerin und als Mensch einen unmittelbaren Bezug zur Figur der Ania hatte und davon viel einbringen konnte. Wie mir überhaupt beim Drehen wichtig ist, mit einem Team zusammen zu arbeiten, dessen Mitglieder dem Film nicht nur ihr Können zur Verfügung stellen sondern auch mitdenken.

Sie stehen seit Jahrzenten als Schauspielerin vor der Kamera. Ist das für ihre Arbeit als Regisseurin eher Vor- oder Nachteil?  
Ich denke, das befruchtet sich bei mir gegenseitig. Seit ich selbst inszeniere, verstehe ich den ganzen Apparat, der hinter einer Produktion steht, viel besser. Wo ich früher als Schauspielerin oft gehadert habe, lasse ich mich inzwischen weit mehr auf die Visionen der Filmemacher ein, ohne die ein Film nunmal nicht funktioniert. Als Regisseurin kenne ich andererseits aus meinen Darsteller-Erfahrungen die Empfindlichkeiten von Schauspielern und kann damit umgehen.

International feierte „Wild“ im Januar beim renommierten amerikanischen „Sundance“-Festival für Independent-Filme Premiere. Wie war´s?
Eine tolle Erfahrung. Sundance ist das Festival, dass ich jedes Jahr genau verfolge. Dort laufen Filme, die mich meistens alle interessieren. Aber abgesehen davon lag uns daran, den Film zuerst im Ausland vorzustellen, damit nicht über mich sondern über den Film geschrieben wird. Dass die amerkanischen Kritiker „Wild“ dann aber auch noch nahezu durchweg positiv aufgenommen haben, fand ich natürlich großartig.

 

Wir danken für das Gespräch.

 

Text: Reinhard Lüke

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