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Familie Politik

Das Sterben der Hebammen

Dienstag, 11. März 2014 | Text: Antje Kosubek | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Am Samstag gingen in Köln und anderen Städten in ganz Deutschland, Hebammen auf die Straße, um gegen die gestiegenen Kosten der beruflichen Haftpflichtversicherung zu demonstrieren. Innerhalb der letzten 12 Jahre sind die Kosten explodiert. Zahlte man 2003 noch circa 1400 Euro jährlich, schwanken in diesem Jahr die Kosten zwischen 5.000 – 10.000 Euro. Zudem will sich die Nürnberger Versicherung ab Juli 2015 ganz aus dem Geschäftsfeld der Berufshaftpflicht für Hebammen zurückziehen. Nach Angaben des Deutschen Hebammenverbands und des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD) ist dann offen, wer die Hebammen noch versichert. Bereits im Frühjahr 2010 wurde deutlich, dass die drastisch, teils um 50%  erhöhten Berufshaftpflichtprämien für Hebammen nicht mehr bezahlbar sind. Inzwischen haben mehr als 20 Prozent der Kolleginnen bereits aufgegeben und praktizieren nicht mehr in der Geburtshilfe. Weitere Hebammen können ab 2015 nicht mehr für werdende Müttern mit Rat und Tat da sein, weil auch sie ohne Versicherung offiziell nicht arbeiten dürfen und die Mehrzahl sich dann ihren Beruf nicht mehr leisten kann. Stirbt die Zunft der Hebammen aus? Um dieser Frage nachzugehen, hat Meine Südstadt die Hebamme Alexandra Kozma getroffen. Die Südstädterin ist selbst Mutter von drei Kindern und arbeitet in einer Praxis im rechtsrheinischen Köln-Brück.

Meine Südstadt: Frau Kozma, sie arbeiten als freiberufliche Hebamme. Was kann ich mir darunter vorstellen?
Ich arbeite gemeinsam mit drei anderen Hebammen als Kolleginnen und einer Psychotherapeutin in unserer Praxis. Wir ergänzen uns gegenseitig im Team und davon profitieren alle, insbesondere die Frauen, die zu uns kommen. Wir betreuen Hausgeburten, arbeiten aber auch alle als Beleghebammen. Wir können also auch Geburten in Bensberg begleiten (Anmerkung: Vinzenz-Palotti-Krankenhaus in Bergisch Gladbach), wir haben dort auch alle gelernt. Zum Ende des Jahres kommt eine neue Kollegin dazu, die in Bochum studiert hat. Mittlerweile kann man unter anderem an der Fachhochschule in Bochum einen Bachelor in Hebammenwissenschaften („Midwifery“) ablegen. Aber als Hebammen haben wir noch mehr Aufgaben, als „nur“ die Geburtsbegleitung. Wir sind da für Vorsorge- und Nachsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft, wir beraten viel zu Themen wie Stillen, Beikost oder machen auch die Beratung bei Kinderwunsch und zu natürlicher Empfängnisverhütung.

Zu welchem Zeitpunkt der Schwangerschaft kommen die Frauen zu Ihnen?
Mittlerweile melden sich die Frauen bei uns sofort nach dem positivem Schwangerschaftstest. Seit einigen Jahren hat es sich ´rumgesprochen, dass viele Hebammen sehr beliebt und die Plätze rar sind. Viele Frauen, die wir schon betreut hatten, melden sich bei uns mit dem Satz: „Ich glaube, ich bin schwanger“.
Auch die Gynäkologen wissen um das Problem, dass man sich frühzeitig um eine Hebamme bemühen sollte und informieren werdende Mütter darüber. Viele Frauen kommen zu uns über Mundpropaganda – über Freunde, Bekannte und Verwandte.

Und jetzt ist Ihr Berufsstand in Gefahr?
Ja, die Versicherungsbeiträge sind immens angestiegen. Eine Haftpflichtversicherung muss jede Hebamme haben. Die Beiträge sind mittlerweile auf 5.000 – 10.000 Euro im Jahr angestiegen, um Schaden auszuschließen. Das bedeutet ja nicht nur, dass man keine Geburten mehr begleiten kann. Nein, das heißt auch, dass ich nicht mehr Mütter zur Vorsorge oder Nachsorge betreuen kann. Es zählt auch dazu, dass ich als Frau nicht mehr die freie Wahl des Geburtsortes habe. Denn die Hebamme kann mich dann nicht mehr zu Hause oder im Geburtshaus entbinden. Als Konsequenz würde das bedeuten, dass es nur noch festangestellte Hebammen gibt und man nur noch im Krankenhaus entbinden kann. Für mich konkret bedeutet das, wenn ich eine Frau über ihre gesamte Schwangerschaft begleiten möchte, kann ich bereits ab dem Sommer keine neuen Frauen mehr annehmen, weil sich die Versicherung ja zum Juli 2015 erhöht. Und ich wäre dann auch arbeitslos. Dabei muss ich sagen, ich liebe meine Arbeit und ich möchte nicht festangestellt im Krankenhaus arbeiten. Ich habe mich ja aus guten Gründen dafür entschieden, als freiberufliche Hebamme zu arbeiten. So schätze ich die „Eins-zu-Eins-Betreuung“. Wir haben ja auch immer zu Beginn ein „Kennenlerngespräch“, bei dem man sich beschnuppert.
Nicht zu vergessen ist das Arbeitsgebiet der Familienhebamme, die neben ihrer Hebammentätigkeit auch Familien in schwierigen Lebensumständen unterstützt, beobachtet, motiviert, begleitet und netzwerkt. Nicht auszudenken, wenn diese Kolleginnen nicht mehr in die betroffenen Familien gehen würden.

 

Hebammen, Saugglocke und Presswehen nur noch im Schichtwechsel und auf der Station im Krankenhaus. Das wäre doch ein Rückschritt für die „natürliche Geburt“?
Ja, viele Vorteile gingen verloren. Es ist doch schön für die Frauen, wenn man sich schon zu Beginn der Schwangerschaft kennenlernt, das gibt ihnen Sicherheit für die Schwangerschaft, die Geburt und das Wochenbett. Hebammen kommen ja auch nach Hause und nehmen nicht nur Termine in der Praxis wahr. Wir sind zudem auch über die gewöhnlichen Sprechstunden hinaus erreichbar, man kann uns mal eben anrufen. Wir sind auch am Wochenende erreichbar. Da gibt es beim Arzt ja eine Hemmschwelle, der behandelt ja viel mehr Frauen. Die Gynäkologen sind ja als Ärzte ür den medizinischen Teil zuständig. Und das wollen wir den Frauen auch vermitteln, wir sind die Fachfrauen, Begleiterinnen und Unterstützerinnen im Bereich der physiologisch verlaufenden Schwangerschaft, der Geburtshilfe und des Wochenbetts.
Die Gynäkologen machen die Medizin und wir machen die Hilfe. Das ist eine super Ergänzung und mit der Schwangeren/den Eltern zusammen ein meist gut funktionierendes Team. Die Realität sieht ja auch so aus, beim Arzt/Ärztin hat die Schwangere vielleicht zehn bis fünfzehn Minuten Zeit. Wir sehen die Frau eine Stunde. Wir haben Zeit für Hintergrundinformationen, wir wissen über die Familiensituation Bescheid. Dass wir uns die Zeit nehmen können, macht sehr viel aus.
Es ist ja auch ein Unterschied, wenn ich nur den Blutdruck messe und feststelle, er ist erhöht. Aber wenn ich das ganze Drumherum kenne, kann ich eher nachvollziehen, warum das jetzt so ist, vielleicht gibt es ja auch einen anderen Grund, der eben keine organische Ursache hat. Die Vorteile liegen auf der Hand: weniger Medikamente, weniger Apparate und zufriedene Mütter. Und vor allem vertreten wir klar die WHO-Linie: eine Schwangerschaft ist keine Krankheit.

Die vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebene sogenannte IGES-Studie, an der sich 2012 ca. 3.600 Hebammen beteiligt haben, bestätigt die prekäre Situation der Hebammen. Dem geringen Einkommen stehen rasant steigende Haftpflichtgebühren gegenüber. Doch auf wem liegt jetzt der Druck? Bei den Versicherungen oder beim Gesundheitsminister, Herrn Gröhe?
Es muss eine grundsätzliche Entscheidung her. Eigentlich müsste ein betroffenes Paar konkret klagen. Denn im Sozialgesetzbuch §5 wurden wir mit aufgenommen. Das Gesetz besagt, dass die Frauen die freie Wahl des Geburtsorts.  Der Gesetzgeber hat dieses Gesetz geschaffen, sorgt aber nicht dafür, dass die Rahmenbedingungen zu seiner Erfüllung vorhanden sind. Man müsste hier anpacken und den Staat in die Pflicht nehmen. Dazu müsste man sich bereit erklären, genau das zu erstreiten.

Können Sie sich erklären, warum der Beitrag so angestiegen ist?
Es gibt auf alle Fälle nicht mehr Schadensfälle in der Geburtshilfe. Sondern mehr Kinder die geboren werden und die medizinische Versorgung ist viel besser und damit auch teurer geworden. Der medizinische Fortschritt geht auch immer mit höheren Kosten einher. Die Menschen leben länger und haben einen längeren Rentenanspruch und könnten dann auch eine längeren Zeit lang gegen Behandlungsfehler klagen.
Ärgerlich ist, dass es sogar mit in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde. Die Kanzlerin selbst wollte sich um die Probleme der Hebammen kümmern. Doch passiert ist noch nichts. Natürlich geht es auch um Ängste, es geht um Pflegeberufe. Ich denke, wir sind die ersten, die ins Kreuzfeuer geraten sind. Das Gesundheitssystem krankt an vielen Stellen. Es geht um einen Umbruch und wir Hebammen scheinen den Anfang machen zu müssen. So sollte die Verantwortung für einen Schadensfall in Zukunft von der gesamten Gesellschaft getragen werden. So was wie: „Wir für die anderen!“.
Wichtig ist, dass der Beruf der Hebamme nicht ausstirbt. Dazu ist dieser Dienst an und für Familien viel zu wichtig.

Mehr im Netz
www.hebammenfuerdeutschland.de/protest
www.change.org/de/Petitionen/lieber-herr-gröhe-retten-sie-unsere-hebammen
www.hebammenunterstuetzung.de
www.hebammenblog.de
 

Text: Antje Kosubek

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