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Kultur

Viel besser als Rockstars

Donnerstag, 3. November 2011 | Text: Kathrin Rindfleisch | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Wer am liebsten in kölschen Eckkneipen singt und zudem Lieder wie „Du wolltest meine Socken bügeln“ im Repertoire hat, der wird zum Interview von mir an einen ganz besonderen Ort gebeten. Ich dachte, dass das „Physalis“ auf der Elsaßstraße mit seiner schrägen Mischung aus achtziger Jahre-Partykeller, Hinterzimmer-Rumpelkammer und zwielichtiger Kiez-Kneipe genau der richtige Rahmen ist für die drei Südstadt-Musiker, die unter dem nicht minder schrägen Namen „Billy Rückwärts“ durch unsere Kneipen tingeln und in bester Liedermacher-Manier herrlich Alltägliches, wie den Song „Alter mach die Scheiß-Küche sauber“ aus dem Leben einer WG und ungemein Irrwitziges, wie die Warnung vor den Jungfraun von Usedom mit den Leichen in den Kellern, die im Song „Arsen und Spitzenhäubchen“ besungen werden, zum Besten geben.

 

Und tatsächlich fügen sich die Drei gut ein in dieses spezielle Ambiente und bei Kölsch und Hits der letzten zwanzig Jahre lässt sich ungemein gut den Geschichten lauschen, vom Ur-Billy Rückwärts, hoch ambitionierten Rockstar-Träumen und der Lust, spontan Musik zu machen.

„Billy Rückwärts“, das sind im Kern Malte Quarz und Sebastian Franzen, zwei Jungs, die sich mit Anfang zwanzig kennenlernten, mit Mitte zwanzig lieber Zeit miteinander verbrachten als mit ihren Freundinnen und dann beim gemeinsamen Betrauern des Verlassenseins durch diese, eine Entdeckung machten, die ihrem Leben eine komplett neue Richtung gab. Auf dem elterlichen Dachboden von Malte Quarz fanden die beiden Liedtexte und Kompositionen seines Urgroßvaters, der in den 20er Jahren unter dem Namen „Billy Rückwärts“ Musik gemacht hatte. Ihm zum Gedenken und aus eigener Freude an dieser Musik, begannen sie vor vier Jahren, im Stil des Alten neue Texte zu schreiben und gemeinsam Musik zu machen. Und fanden sich dabei gut, richtig gut. Von langen Nachmittagen auf der Couch ist die Rede, von der Überzeugung, großartig zu sein und dem Plan, mit der Musik und schrägen Texten ganz groß rauszukommen.

Jetzt könnte man denken, derartige Selbstüberzeugung schrecke ab oder aber, im Zeitalter von Dieter Bohlen, öde an. Sitzt man statt Dieter Bohlen allerdings einem so charmant charismatischen Lockenkopf wie Sebastian gegenüber, hört man gerne zu. Wie sie sich selber gefreut haben, über die entstehenden Texte, das Zusammenspiel mit der Musik und dem Gefühl, was wirklich Gutes zu machen. Einfach so, aus einer zufälligen Entdeckung heraus. Und findet selber „Ja, das ist gut. Und originell. Der trocken selbstironische Malte am Bass in Kombination mit dem verträumt schwelgerischen Sebastian an Gitarre und Klavier, die beiden sind die bildliche Wiedergabe ihrer Musik. Wenn sie über den Sonntagnachmittag auf dem Minigolfplatz singen, wo sie davon träumen, die jeweils Angebetete auf „Bahn 13“ zu lieben, ist das charmant und putzig, nicht platt und obszön. Das liegt wahrscheinlich auch an der Unmittelbarkeit, mit der die beiden ihre Musik unter die Menschen bringen. Zeitweilig mit einer fünfköpfigen Band unterwegs, haben sie bei einer Straßenmusiktour vor einem Jahr in Berlin gemerkt, dass ihre Musik sehr gut ankommt von Angesicht zu Angesicht. Und das dazu Gesang und Gitarre reichen. Seitdem gibt’s „Billy Rückwärts“ entweder als Band um die beiden mit Johannes Kempka am Schlagzeug und Gesang, Florian Kluck an der E-Gitarre, dem Tamburin und Schütteleiern und Wolf Hennig an der Trompete, oder eben zu zweit. Die dritte, sehr spannende Kombination, mit der „Billy Rückwärts“ zur Zeit in den Kneipen der Südstadt unterwegs ist, ist die in Begleitung der Geigerin Daniela, die den spontanen Auftritten in Läden wie der Ubierschänke, dem Massimo, Kajtek oder der Speisekammer den musikalischen Genussfaktor aufsetzt. Wenn die Musikerin beim WG-Song das E-Gitarren-Solo auf der Geige zum Besten gibt, hebt auch der Letzte seinen Blick auf vom Kölschglas und nicht einer lässt sich finden, dem nicht ein Lächeln über die Lippen huscht.

Überhaupt, Kölsch und „Billy Rückwärts“. Daniela trinkt mehr davon, seit sie mit den Jungs durch die Kneipen zieht, Malte und Sebastian trinken mehr, seit sie spätestens in der dritten Kneipe, in der der Wirt mit dem Obergärigen für spontan musikalische Einlagen dankt, Danielas Kölsch austrinken müssen und Kölsch trinkend ist auch meist das Publikum, das sich ursprünglich ja auch deswegen traf. Dass die „Billies“ besonders gerne die Südstädter zum Spontan-Publikum erkoren, liegt, und da sind sich Malte, Sebastian und Daniela einig, an der besonderen Mischung aus Jung und Alt und der offenen Art, mit der ihnen ganz besonders hier begegnet wird. „Lockerer als die 20-jährigen auf der Zülpicher Straße“, darf ich erfahren und freu mich über den verschmitzten Malte, der mit diesem Vergleich der Südstadt, die er selbst auch als sein zu Hause auserkoren hat, auf seine ganz eigene Art einen Ritterschlag verpasst hat.

Die großen Rockstars, das ist schon lange nicht mehr das, was sie sein wollen. Spaß machen, das steht im Vordergrund und diese ganz besondere Magie die entsteht wenn sie, mal ironisch, mal nachdenklich, mal berührend, mal abstrus ihr Publikum mit ihren Songs erreichen. Also eigentlich viel mehr erreicht, als „bloߓ Rockstar sein. Wenn Kulturwissenschaftler Malte jetzt noch seinen Doktor macht, ist auch seine Mama glücklich…

Einmal ganz spontan und ungeplant Publikum zu sein, das kann ich derweil nur empfehlen. Und weil man ja nie weiß, wo man sie nun antrifft im Veedel, lohnt es sich in jedem Fall, einmal die Grenzen der Südstadt zu verlassen und am 15. November als geplantes Publikum das „Underground“ in Ehrenfeld aufzusuchen. Dort präsentiert „Billy Rückwärts“ als Vorband von „Phrasenmäher“ Ihr aktuelles Album „Lange gesucht“ mit Liedern, die lange im Ohr bleiben. Garantiert!

Alle Infos zur Band gibt´s auf der offiziellen Website www.billyrueckwaerts.de.

Text: Kathrin Rindfleisch

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