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Kultur

„Welche von euch beiden soll ich erschießen?“

Dienstag, 26. Januar 2016 | Text: Alida Pisu | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Die Teppiche könnten im heimischen Wohnzimmer liegen. Wenn nicht die Wände pechschwarz wären. Und auf einer Krankenhausliege nicht diese Frau läge. Claire, einzige Überlebende eines Anschlags. Auf ihren Chor, den sie gründete und leitete. Bis die Mitglieder allesamt ermordet wurden und tot auf den Teppichen lagen. Der Horror sucht uns selbst da heim, wo wir uns sicher fühlen und hinterlässt nicht nur Leichen, sondern auch verlorene Seelen.

Wenn Claire sich an „Die Ereignisse“ erinnert und zu verstehen versucht, betreten die Sänger wieder den Raum, in dem sie einstmals geprobt haben. Schwarz gekleidet, singend, Mäntel und Schuhe ausziehend, die sich zu Haufen schichten. Wie man sie von Bildern aus Konzentrationslagern kennt, in denen von Menschenleben nichts übrig blieb außer Bergen. An Schuhen, Kleidern, Zähnen, Haaren. Wer da nach dem „Warum?“ fragt, wird mit der Antwort leben müssen. Sofern man diese Frage überhaupt beantworten kann. Hans Simon Keller, Intendant des „Theater Der Keller“, geht das Wagnis ein, sich ihr zu stellen. Mit seiner Inszenierung von David Greigs brandaktuellem Stück „Die Ereignisse“.

 

Foto: Meyer Originals

Die von den Ereignissen traumatisierte Claire begibt sich auf eine verzweifelte Suche. Nach den Motiven des Attentäters, des „Jungen“, der zum Mörder wurde. Sie geht in den (phantasierten) Dialog mit ihm, sie spricht u.a. mit seinem Vater, mit dem Vorsitzenden einer Rechts-Partei, deren Angehöriger der Junge war. Sie alle haben ihn gekannt: wie war er? Was wussten sie über ihn? Hätte das Attentat verhindert werden können? Oder tragen noch andere Schuld an den Ereignissen, so wie der Politiker: „Unser Land ist bedroht. Unsere Werte. Unsere Tradition. Junge Frauen, die vor Bahnhöfen vergewaltigt werden.“ (Köln lässt grüßen!) In kurzen, episodenhaften Szenen erschließt sich immer mehr vom kruden Gedankengut des Mörders, von seinem Wahn, von seinem Hass. Er gefällt sich darin, zum Berserker zu werden, um seinen „Stamm“ zu schützen. Aber dann ist es doch eine beklemmende Banalität,  die darüber entscheidet, dass er mordet: „Wenn ich eine Spur in der Welt hinterlassen will, dann durch Kunst oder Gewalt. Ich war noch nie gut in Kunst.“

Und so zwingt er Claire dazu, ihrerseits eine Entscheidung zu treffen. Über Leben und Tod. Denn der Mörder hat nur noch eine Kugel, als er während seines Amoklaufes im Musikraum auf Claire und eine Choristin stößt und sie fragt: „Welche von euch beiden soll ich erschießen?“ Die Choristin oder Claire. Claire hat überlebt.
Diese Claire, die mit sich ringt, um den Attentäter verstehen zu können. Die ihm verzeihen will. Mit ihren Gefühlen und Erinnerungen an ihn gekettet ist. Von dem Gedanken an Rache getrieben ist. Und wer wollte es ihr auch verdenken. Zu monströs erscheinen solche Taten, solche Täter. Susanne Seuffert spielt die hin und her geworfene, innerlich zerrissene Frau als eine Überlebende, die die Tat nicht vergessen kann, sie aber überwinden möchte. Um ihrer selbst und der Toten willen.
Markus Penne schlüpft nahtlos und glaubhaft von einer Haut in die andere. In der Gestalt des Jungen verkörpert er „Das Böse“ in seiner ganzen Dimension des Schreckens. Aber er kann auch als sich windender, verblendeter Politiker, sich von jeder Verantwortung frei Sprechender, überzeugen.

 

Foto: Meyer Originals

In diesem Stück für zwei Personen kommt dem Chor eine besondere Bedeutung zu. Einerseits kommentiert er das Geschehen, andererseits bringt er auch Claires Gedanken, Erinnerungen, ihre Seele zum Ausdruck. Und entwickelt ein Eigenleben. Etwa wenn die Choristen empört die Bühne verlassen, im Foyer eine wilde Party feiern und mit dem Lied: „I will survive!“ wieder auf die Bühne zurückkehren. Da kann man nur schlucken, Worte finden sich dafür nicht.

Anders Breiviks schrecklichen Anschlägen in Norwegen fielen 77 Menschen zum Opfer. Sie waren für den Autor der Auslöser, sich mit den Gründen und Ursachen von Massenmord auseinander zu setzen. Und, ganz zentral für das Stück: den Opfern, die Terror und Gewalt hilflos ausgeliefert waren, die ermordet wurden und nur noch in der Erinnerung leben sollten, Gesicht und Stimme zu verleihen. Sie sichtbar und hörbar zu machen. Ihnen Raum zu geben, auch wenn es nur ein Bühnenraum ist. Aber Bühne heißt eben auch: das sind die Bretter, die die Welt bedeuten.

Die Zuschauer überschütteten die Akteure mit donnerndem Applaus und Bravo-Rufen. Es dürfte nicht wenige unter ihnen gegeben haben, denen die Tränen in den Augen standen. Denn Hans Simon Kellers ergreifende Inszenierung gibt Claire und all den anderen Opfern ihre Würde und ihre verlorenen Seelen zurück. Und zeigt, dass es gar nicht möglich ist, Menschen einfach so „auszulöschen“.

Die musiklasche Betreuung des Chors und die Auswahl der Stücke durch Nicola Müllers und Walter M. Mik hat emotionale Akzente gesetzt. Im Schlussbild verschmilzt der Chor mit den auf projizierten Bildern zu sehenden Demonstranten, die sich zum Gedenken an die Opfer des „Charlie Hebdo“ – Anschlags versammelt hatten. In dem Lied „Perfect day“ von Lou Reed wird das hoffnungsvolle Weitermachen beschworen. Es geht immer weiter…

 

„Die Ereignisse“ von David Greig
Mit: Markus Penne und Susanne Seuffert
Regie: Heinz Simon Keller, Bühne: Tobias Flemming, Kostüme: Hedda Ladwig?

Chor: Daria Behet, Clemens Ehses, Kirsten Framing, Marianne Kaulen, Sophie Mik, Sabine Müller, Renate Mussmann-Ridder, Anton Rausch, Dagmar Rheinländer, Axel Rudolph, Bernadette Weiler, Patricia Wolf?

Choreinstudierung: Nachtigall & Lerche, Akademie für Gesang: Nicola Müllers, Walter M. Mik

Theater der Keller, Kleingedankstraße 6, 50677 Köln?

Die nächsten Termine: 26. Januar, 13., 17., 27. Februar, 5., 13., 19. März 2016
 

Text: Alida Pisu

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