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Südstadt

Zeichen einer Beziehung setzen

Mittwoch, 24. Juli 2013 | Text: Elke Tonscheidt | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

 – Ein Spaziergang durch die grüne Lunge Südfriedhof

Ist ein Kind hingefallen, gibt’s meistens ein Pflaster. Ist ein Soldat gefallen, heißt das: Er ist tot. Gehörte der Friedhof früher unmittelbar zum Lebensraum, ist er heute aus unserem Erleben entrückt – meist sogar räumlich, weil weit entfernt. Omma ging früher ins Ortzentrum zur Kirche, wo sie andere traf, denen es ähnlich ging. Heute sind die „letzten Gärten“ meist mehrfach erweitert, riesig groß, und es gibt mancherorts sogar Friedhofsmobile, die uns zu den Gräbern bringen, wenn wir schlecht zu Fuß sind. Und es gibt Veranstaltungen wie den Friedhofsgipfel. Demnächst in Köln. Themen in Hülle und Fülle, über die Elke Tonscheidt beim Südfriedhofsspaziergang mit Claudia Gölz, einer grünen Expertin aus Düsseldorf, sprechen konnte.

Meine Südstadt: Was treibt Sie an, einen Friedhofsgipfel zu organisieren?
Claudia Gölz: Wenn der Friedhof als Kulturgut überleben bzw. wenn dieser Ort eine gute Zukunft haben soll, dann müssen die Menschen dazu mehr wissen: Welche Bedeutung hatten Friedhöfe historisch, welche können sie noch heute für die Gesellschaft haben, aber auch für jeden einzelnen. Deshalb laden wir nun schon zum 2. Mal Menschen ein, die beruflich mit Friedhöfen zu tun haben, z.B. Gärtner, Steinmetze, Bestatter, städtische Verantwortliche, Wissenschaftler oder Journalisten, um mit ihnen über die Veränderungen zu diskutieren, die die Individualisierung auch für unsere Grabstätten mit sich bringt. Nicht jeder ist mit dem auch auf Friedhöfen praktizierten Ausleben von Freiheit einverstanden…

Sie meinen wenn z.B. Kindergräber mit Plüschteddy und Puppen bestückt sind?
Der Friedhof bietet ganz viele Möglichkeiten sich persönlich zu verwirklichen. Wir haben eben auf einem Grab eine Kiste mit Schachfiguren gesehen. Hier trauert vermutlich ein Schachspieler um seinen Spielpartner. Friedhöfe können ganz viele Geschichten erzählen. Diese Engelchen, Figürchen und andere sozusagen ‚Grabbeigaben‘ zeigen aber auch: Ich war da. Ein bisschen wie bei Facebook – man will ein Zeichen setzen wie ‚Gefällt mir‘. Das ist…

… Ihnen suspekt?
Nein, es fällt mir nur immer mehr auf. Sich selbst zu verewigen, das könnte auch eine Friedhof-Tradition werden. Die Frage ist, um wen geht es eigentlich. Um den, der da liegt oder um das Verewigen einer Beziehung – ein Herzchen hinlegen mit „Du fehlst mir“ drauf. Bestattungsstätten waren zwar immer Ausdruck von Wertschätzung und Individualität, aber früher gab es zur Beerdigung in der Regel gold bedruckte Sargschleifen mit letztem Gruß; heute werden ganz anders, aber sehr bewusst Zeichen einer Beziehung gesetzt. Als Ausdruck einer persönlichen Verbindung und man schämt sich auch nicht, dass ein anderer genau das sieht.

 

An prominenten Gräbern kann das ans Absurde grenzen …
Oh ja. Ich hab’s nur gelesen, aber die Witwe von Loriot hat wohl, nachdem sie die ersten 100 Badeentchen vom Grab entfernt hat, es dann einfach gelassen, weil immer neue hingelegt wurden. Das ist schon ein Übergriff, halt der Prominenz geschuldet.

Der Südfriedhof ist mit 63 Hektar der größte Kölns und ein wichtiger Teil des Grüngürtels. Wir plaudern auf mächtigen Alleen, passieren zahlreiche Kriegsgräber aus beiden Weltkriegen; auch zwei eigenständige Soldatenfriedhöfe gehören zu dieser riesigen, grünen Lunge im Kölner Süden. Liegen auf Melaten, wo der Friedhofsgipfel in diesem Jahr stattfinden wird, die meisten Promis der Stadt, so gibt es auch hier herrschaftliche Familiengrabstätten und für die Gründerzeit typische Grabmäler. Einige sehen tempelähnlich aus, sind Monumente und Ausdruck von sozialem Status. „Heute“, sagt Claudia Gölz, „gibt es das so nicht mehr.“ Ist ja auch teuer, sage ich – muss aber gleich ihrem Einwand beipflichten, dass es das früher natürlich auch schon war.

Warum ist es uns heute monetär wenig wert, für unsere letzte Ruhestätte viel Geld auszugeben?
Weniger wert geworden! Die Frage hat so, glaube ich, noch keiner gestellt. Fakt ist jedenfalls, dass wir richtig dolle viel Geld ausgeben für Handys, Emails, Smsen, all diese Pseudo-Kommunikationsmittel, aber für eine so grundlegende Kommunikation, also ein Denkmal für einen lieben Menschen, da heißt es dann: Das ist aber teuer. Das mag sein, dass das so ist, aber wir wägen heute ab, wofür wir Geld ausgeben und der Friedhof hat offenbar eine kleinere Priorität hinter dem Flachbildschirm.

Wir wandeln weiter. Begegnen einem Vater, der sein Kind im Buggy spazieren fährt. Wir sprechen gerade darüber, wie man Flächen, die auf Friedhöfen nicht mehr genutzt werden, alternativ nutzen kann. Schon heute bergen 32.000 deutsche Friedhöfe ganze 15.000 Hektar sog. Überhangflächen. Flächen, die derzeit nicht belegt sind, aber für Pflege und Instandhaltung im Jahr Kosten von rund 300 bis 500 Mio. Euro verursachen. Tendenz steigend: Immer mehr Menschen lassen sich in Urnen beisetzen und „verbrauchen“ deswegen weniger Flächen.

Es gibt Überlegungen auf Friedhöfen Spielplätze zu errichten…
Ich glaube das gibt es schon, und für mich gehören Kinder sowieso auf den Friedhof. Kinder sollen so früh wie möglich merken: Das ist normal. Exotischer finde ich das Nachdenken, ob man dort dann Tierfriedhöfe errichtet. Die Messe für Fifi – also Kerzen und so was für Hunde finde ich schon komisch. Auch mein liebster Gefährte bleibt ein Tier. Zwar finde ich die Vorstellung, dass ein Flächenteil, der zu viel da ist, für die Tierbestattung freigegeben wird, ok; womit ich aber ein Problem hätte, wäre das Doppelgrab für Herrchen und Hund. Einfach befremdlich.

 

Was fasziniert Sie am Thema Friedhöfe? Sie engagieren sich ja auch für  www.friedhof-ansichten.de …
Neben dem, was Friedhöfe historisch und kulturell spiegeln, haben Friedhöfe als biologische Räume eine Riesenbedeutung. Wo in der Stadt kann man sich so ruhig draußen bewegen, hinsetzen, Bäume bestaunen oder Eichhörnchen zusehen. Wir haben es hier mitten im Sommer z.B. aber auch deutlich kühler. Friedhöfe sind nicht nur für die trauernden Menschen, sie sind für das Klima einer ganzen Stadt sehr wichtig. Stichwörter sind Luftaustausch, Temperatur, Biodiversität.  Ich möchte nicht wissen, was hier im Gebüsch alles lebt, was da draußen in der Stadt keine Chance hat. Es ist wichtig zu begreifen, dass man etwas zum Erhalt dieser grünen Lungen tun muss.

Was würden Sie sich für Friedhöfe wünschen?
Mehr Orientierung. Auf jedem Friedhof liegen Menschen, die für diesen Ort wichtig waren – ob Bürgermeister, Pfarrer oder Hebammen, die 700 Kindern auf die Welt geholfen haben. Den Friedhof wieder näher an die Menschen bringen. Denn er ist ein sehr realer Ort, gerade weil heute vieles so virtuell geworden ist. Und drum herum ist vergleichbares Leid, vergleichbare Geschichte. Was mir daran so gefällt, ist dabei der Frieden mit der Geschichte. Wenn alle hier wären, um die Toten zu betrauern, das wäre ein Lamento, das könnte man gar nicht aushalten… Es ist aber ein friedlicher Ort, denn es ist vorbei, es ist der Lauf der Natur.

Nach anderthalb Stunden müssen wir einen Plan suchen, um den Ausgang wieder zu finden. Jemand hat den Standortpunkt weg geknibbelt. Wir rekonstruieren, wo wir sind. Mein zweijähriger Sohn würde jetzt, ohne es zu wissen, „da lang“ rufen und einfach los stapfen. Auch wir probieren eine Richtung aus, sind richtig und landen zurück am Haupteingang am Höninger Platz. Haben wir in fast zwei Stunden maximal zwölf Menschen gesehen, so sitzt hier eine fünfköpfige Familie auf der Bank, Eis in der Hand. „Wir kommen hier sehr oft hin“, sagt die junge Oma aus Engelskirchen, die ihren Sohn regelmäßig in Köln besucht, „denn wo kriegt man sonst alles zusammen: Schatten, Natur, sogar eine öffentliche Toilette“ – sie zeigt hinter sich – „und ein Eiscafe direkt da draußen?“ Ihr Sohn unterstreicht die Bedeutung dieses Ortes: „Der Friedhof ist für mich ein Park, wo sich ausnahmsweise alle mal an die Regeln halten.“

 

Infos zum 1. Friedhofsgipfel, der auf dem viertgrößten Friedhof der Welt in Hamburg Ohlsdorf stattfand, gibt es hier.

 

Die in Süddeutschland geborene Claudia Gölz studierte Anglistik, Germanistik und Kommunikationswissenschaften, bevor sie sich seit 1989 auch beruflich vorrangig den Themenfeldern Gartenbau, Niederlande sowie Umwelt und Stadtentwicklung widmete. Sie betreibt in Düsseldorf eine Agentur für grüne Themen. Der Kölner Friedhofsgipfel wird im September vor allem beleuchten, wie anders unsere holländischen Nachbarn mit dem Thema Friedhof umgehen.
 

Text: Elke Tonscheidt

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