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Kultur

Graphik und Heimat

Donnerstag, 20. August 2015 | Text: Judith Levold | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Es ist „in“ und in aller Munde: Benutzen statt Besitzen, Teilen statt Haben, Bewahren statt Wegschmeißen. Zwei Künstler aus dem Severinsviertel machen das – ihrer Zeit voraus und ganz ohne großes Getöse – schon seit Jahrzehnten. In ihre Werkstatt Im Sionstal kann jeder kommen, der ihr Material, ihre Geräte und ihr Wissen nutzen möchte. Atelier-Sharing halt, das jetzt 20jährigen Geburtstag feiert, mit Jubiläumsausstellung und allem pipapo – ab Freitag, den 21.08.

 

Von Federbetten und Druckpressen

 

In einem schmalen Häuschen mit Ladenlokal, das früher mal eine Federbettenwäscherei beherbergte, liegt eine eigene kleine Welt verborgen: die Kölner Graphikwerkstatt, ein Atelier des gleichnamigen Vereins, den die Künstler Jutta Vollmer und Andreas Vietz führen. Die beiden verbindet viel, beide studierten als mit die Letzten an den früheren Kölner Werkkunstschulen am Ubierring, beide lieben die Druckgrafik mit ihren zahlreichen „Bildfindungstechniken“, wie Andreas Vietz, den alle hier nur „Vietz“ nennen, es bezeichnet. Und diese Liebe spürt man in den Räumen, sie liegt förmlich in der farb-, vaseline- und konzentrationsgeschwängerten Luft, durch die man die verschiedensten Menschen hier arbeiten sieht.

 

Andreas Vietz mit einem Kursteilnehmer

 

Druckgrafiker sind Gruppenheinis

 

„Ich komme seit vielen Jahren hierher, die Atmosphäre ist toll und ich lerne sehr viel“ erzählt mir Hildegard aus Rodenkirchen, geschätzte 60plus und Malerin. Mit ihrem Linolschnitt „Limoncello“, der als Rezept für den gleichnamigen Likör Teil der Jubiläumsausstellung in der Graphikwerkstatt werden soll, ist sie heute beschäftigt. 

„Kunst machen ist ja ein bisschen wie Kochen“ sagt Vietz, „Du hast Zutaten und fügst sie zu etwas zusammen!“.

 

„Genau“ ergänzt ihn Jutta Vollmer, „daher haben wir 2003 mit einer Art-Kochbuch-Ausstellung angefangen, als offenem Graphikprojekt. Vorgegeben sind nur das Format der Blätter und dass es etwas mit Kochen, Essen oder Rezepten zu tun haben muss. Da sind über die Jahre so viele Arbeiten zusammen gekommen, dass wir das jetzt für’s Jubiläum nochmal ausstellen wollen, weil es wirklich die vielen Menschen, die hier gearbeitet haben, am besten repräsentiert.“ 

 

Die Menschen, die Stimmung, das Voneinander-lernen – all das macht die Werkstatt zu einem besonderen Ort, an dem sich Jung und Alt wohlfühlen. „Als ich hier das erste Mal reinkam, war das wie ein Déjà-vu, ich dachte: hier gehörst Du hin!“ erzählt Annette, Lehrerin für Kunst und Französisch an einer Wirtschaftsschule in Brühl. Seit acht Jahren kommt sie regelmäßig über das Landesförderprogramm „Kultur macht Schule“ mit Schülern hierher „Wo können Schüler das schon erleben, mal im Atelier eines Künstlers zu sein? Die arbeiten hier so engagiert und vergessen die Zeit. Die bleiben manchmal noch, wenn ich schon gegangen bin.“ fügt sie hinzu.

 

Gemischtes Publikum

 

„Ich komme hierher, seit ich Kind bin“ erzählt die 24-jährige Paula, die an der ecosign-Schule in Ehrenfeld Produktdesign mit Schwerpunkt Graphik studiert. „Die Jutta kennt mich besser als ich selbst und hat mir alles beigebracht. Nicht nur die Technik, auch die Gespräche über Kunst, man inspiriert sich gegenseitig, das ist einfach toll hier!“ schwärmt sie. Ihre Mappenarbeiten für’s Studium macht sie natürlich hier. Das Drucken gefällt ihr „weil Du so viele Möglichkeiten hast, Du kannst mal mit den Händen schnell was ausprobieren, das geht digital gar nicht, und sonst sitze ich viel am Computer.“ 

 

Technik bewahren und weiterentwickeln

 

Die verschiedenen Arten der Drucktechniken faszinieren. Ich lerne, dass Tiefdruck die Königsdisziplin in der Druckgrafik sei. Tiefdruck ist, wenn man das Material der Druckplatte bearbeitet, etwas wegnimmt, einritzt oder verformt, dann die Hohlräume oder Rillen mit Farbe ausfüllt und schließlich diese eingefärbte Platte mit der entsprechenden Walze auf das befeuchtete Paper drückt, Verzeihung: druckt. Im Gegensatz zu Hochdruck, der eher nach dem Prinzip Stempel funktioniert.

Die Druckplatte beim Tiefdruck kann durchaus auch mal ein aufgeschnittenes Tetra-Pack sein, so wie heute bei Lili, die auch bei einem Kindergeburtstag die Graphikwerkstatt kennen lernte und einfach hängen blieb.

 

 

„Das ist toll, wenn ich freitags zum Jugendseminar komme, machen wir als erstes eine Zeichenübung, wir quatschen dabei, ich hab hier so viel tolle Leute schon kennen gelernt und hier wird nie was beurteilt, sondern immer angeregt und ermutigt. Mit Drucken hast Du keine Grenzen, egal welche Bildidee Du hast.“ sagt die 17jährige, die in der Schule Kunst-Leistungskurs gewählt hat und schon mal ihrem Lehrer in Sachen Drucken auf die Sprünge hilft.

 

Maschinen und Know-How teilen

 

Urig sehen sie aus, die Druckwalzen, zumindest die, die noch per Kurbel von Hand bedient werden muss. „Ja, unsere alte ‚Breisch’“ schmunzelt Jutta Vollmer „die ist ja mit 92 Jahren schon ’ne alte Oma. Aber sie war die Keimzelle. Andreas hat sie damals vor der Verschrottung gerettet und die haben wir in meinen Studenten-Polo geladen, der sie, dann tiefer gelegt, zum Restaurieren nach Dortmund gefahren hat. Damit hat alles begonnen.“ erinnert sie sich weiter an die Anfänge. „Wir wollten von Anfang an ein offenes Atelier und die Techniken weiter tragen, ob für Professionelle oder für Kinder und Jugendliche“ erzählt sie weiter. „Dass das aber so einen Anklang finden würde, damit haben wir nicht gerechnet.“ ergänzt Vietz.

 

Wunderbar, denke ich, als ich mit dem Geräusch der Türglocke die schön gestalteten Räume der Werkstatt verlasse und muss in mich hineingrinsen, mit welch ruhiger Autorität die beiden ihre vielen „Schüler“ im Griff haben: „Bevor man geht, wird der Arbeitsplatz tiptop gereinigt und aufgeräumt verlassen. Das ist hier die Regel“ zitiert mir Willy aus Rodenkirchen seine beiden „Meister“.

 

Täglich, auch am Wochenende und in den Ferien, kann man in der „Heimat der Druckgraphik“ Kurse belegen, Seminare buchen oder auch einfach nur unter Anleitung die vorhandenen Ressourcen nutzen und drucken oder drucken lassen – gegen Kostenbeteiligung.

 

Jubiläumsausstellung ab 21.08.15

Kölner Graphikwerkstatt, Im Sionstal 17, 50678 Köln

www.graphikwerkstatt.de

 

 

Text: Judith Levold

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