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Kultur

Verarschen bis es kracht – Jürgen Beckers Crashkurs durch die Kunstgeschichte

Montag, 20. Mai 2013 | Text: Elke Tonscheidt | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Als ich noch in Bayenthal wohnte, war der Kabarettist, Fernsehmoderator und Autor Jürgen Becker zwei Jahre mein Nachbar. Der mit dem grauen Wuschelkopp und Augen, die kornblumenblau blitzen. Wir haben uns in Ruhe gelassen, freundlich gegrüßt, wenn wir uns beim Straßekreuzen sahen. Ich habe ihm hinterher geschaut, wenn er mit seinem coolen Motorrad losknatterte oder in seinen alten Benz mit dem sonnigen Aufkleber „Atomkraft? Nein danke“ stieg. Promis sollten nicht immer angequatscht werden, finde ich. Und er wusste ja gar nicht, dass ich Journalistin bin. Und wenn, hätte es für ihn wohl auch keinen Unterschied gemacht.

Jetzt haben wir uns wieder getroffen. In Düsseldorf, einer Stadt, in der er auch oft auftritt und über die er zuletzt schrieb: „Die Düsseldorfer sind nicht so mit sich selbst beschäftigt wie die Kölner. ‚Jede Jeck is anders‘ klingt sympathisch, löst aber kein einziges Problem. ‚Jeder Mensch ist ein Künstler‘ zeigt da schon eher den Weg.“ Kürzlich hat Becker sein neues Buch herausgebracht, das sogar für einige Zeit die Spiegel Bestsellerliste erklomm: „Datt ist mir noch nie passiert“, war er selbst erstaunt.

Über seinen Crashkurs durch die Kunstgeschichte mit dem Titel ‚Dali Dali‘ haben wir uns launig und ernsthaft unterhalten. Ich fand sein Buch erst ein bisschen zu klamaukig, muss ich gestehen, aber nach unserer witzigen Unterhaltung habe ich kapiert, warum „man auch mal platt sein muss“. Und finde aus dieser Perspektive zu vielen Passagen einen anderen Zugang.

Meine Südstadt: In Ihrem Hausflur hängt ein Bild mit röhrendem Hirsch. Warum?
Das stimmt, ein schönes Ölgemälde, gefunden in einem Antikladen im Severinsviertel. Ich fand den auf Anhieb gut und das bewahrheitet sich bis heute. Ein röhrender Hirsch gehört in jede Wohnung.

Ein Karikaturist hat dem Hirschen dann eine Sprechblase verpasst…
Was der Hirsch da sagt, ist: Will hier jemand ficken. Genau das stellt das Bild dar. So wie jede Kunst mit Fruchtbarkeit zusammen hängt. Jede Pflanze, jedes Tier will die Art erhalten, der Mensch ja auch. Was wir schön finden, ist das Versprechen von Funktion, auch von sexueller. Was schön ist, das funktioniert auch. Der röhrende Hirsch ist für mich das ideale Kunstwerk, weil es alles sagt, was Kunst können muss: Menschen faszinieren und auf Fruchtbarkeit hindeuten.

Warum jetzt ein Buch über Kunstgeschichte?
Mein letztes Werk war über Religion. Die Kunst überlebt die Religion aber, ist nachhaltiger. Vielleicht hält mein Programm über die Kunst also länger, hab ich mir gedacht. Und ich habe mich auf Kunstausstellungen oft unwohl gefühlt – wie in der Kirche ist man auf einer Vernissage immer ein bisschen beklommen. Diese Unsicherheit wollte ich sowohl bei mir als auch bei meinem Publikum ausräumen, und das scheint zu funktionieren: Die Leute sagen mir, sie hätten jetzt mehr Freude an Kunst.

Wann waren Sie das letzte Mal auf einer Vernissage?    
In Köln auf der Graphikausstellung von Jochen Stankowski, der in Köln ja sehr bekannt ist, weil z.B. die Gestaltung der Initiativenzeitung „Kölner VolksBlatt“ auf ihn zurück geht oder auch der Schriftzug von Rewe. Das war aber mehr ein Treffen mit alten Freunden, von Beklommenheit keine Spur.

Glauben Sie, dass man nach Lektüre Ihres Buches lockerer mit Kunst umgeht? Ist das Ihr Ziel?
Wenn man Hintergründe kennt, sieht man mit mehr Entfernung auf die Dinge. Das ist auch der Zusammenhang zwischen Kunst und Kabarett. Wenn Kunst gut ist, kann sie Abstand von der Welt schaffen, auch für’s Kabarett gilt: Wenn man lacht, hat man Distanz. Hier treffen sich Bildende Kunst und Kleinkunst.

Sie selbst wollten ja immer Designer werden.
Was ja nicht geklappt hat.

Sind Sie unglücklich darüber?
Nee. Ich mach das immer noch ein bisschen mit Motorrädern. Meine Stammkneipe in der Südstadt ist eigentlich der Laden MotoradLust, der einem Freund von mir gehört. Abends nach Feierabend sitzen wir da und trinken zwischen den Motorrädern ne Flasche Bier, meistens Kölsch. Da bauen wir Motorräder um; kreieren auf der Basis bestehender Modelle solche, die es nicht gibt. Mein Hobby.


 

In der Kunst, schreiben Sie, verschwimme die Grenze zwischen Original und Urinal. Was wollen Sie damit sagen?
Das ist einfach eine unheimlich schöne Geschichte. Ich habe mal versucht bei Stiller am Bonner Wall ein solches Pissoir, wie das so berühmt gewordene Urinal von Marcel Duchamp, zu erstehen. Geht nicht mehr, die sehen heute leider anders aus. Sie kennen die Geschichte?

Leider nicht…
Marcel Duchamp war damals in einem Kuratorium für eine Ausstellung und wollte selber dieses klassische Urinal dort unterbringen. Damit das nicht auffällt, hat er einen anderen Namen drauf geschrieben. Das Kuratorium hat es abgelehnt: Das sei keine Kunst. Bekannt wurde es dann aber umso mehr, weil ein berühmter Fotograf es publik gemacht hat. Das Foto also wurde dann so berühmt, während das Kunstwerk selbst verschollen ist. Schon als Jugendlicher hat mich diese Geschichte fasziniert und jedes Mal, wenn ich noch heute auf Toilette gehe, muss ich an Marcel Duchamp denken. Ein genialer Schachzug damals.

Ein Journalist hat Ihnen aufgrund „vieler Sex-Anspielungen und platter Zoten“ einen „tief gelegten Humor“ vorgeworfen. Schmunzeln Sie über solche Wertungen?
Ich möchte einfach gerne, dass nicht nur Intellektuelle sondern eigentlich jeder, sowohl der Putzmann als auch die Professorin, Freude an dem haben kann, was ich schreibe oder spiele. Deshalb ist eine solche Spannbreite wichtig, ich setze mir keine Grenze nach oben oder unten. Ich muss nicht jeden Witz auf ein besonderes Niveau legen, ich bin gern albern, man muss auch platt sein dürfen. Ein alter Satz von mir stimmt immer noch: Kabarett ist schön und gut, aber man muss auch mal einen Witz machen dürfen…

Über das Verhältnis der Landeshauptstadt Düsseldorf zu Köln haben Sie in einer Kolumne geschrieben: „Für einen Düsseldorfer liegt es im Bereich des Möglichen, dass es woanders auch schön ist. In Köln wird das Wort ‚woanders‘ schon als Drohung empfunden.“ Was meinen Sie damit?
Der Kölner besingt das ja in vielen Lieder: Das Herz von der Welt, das schlage eben in Kölle. Ich dachte erst immer, die Höhner meinten das ironisch. Als mir klar wurde, wie ernst das gemeint war, dachte ich, die haben sie doch nicht mehr alle. So habe ich angefangen, die Höhner als Antipunkt im Programm unterzubringen; wenn ich die verarsche, dann kracht es immer. Man kann sagen: Meisner und die FDP gehen sehr gut, und die Höhner eben auch.

Der Kölner Stolz – berechtigt?
Nein, das halte ich für völligen Quatsch. Hier ist vieles so zweit- und drittklassig, die meisten Städte, mit denen ich zu tun habe, kriegen vieles weitaus besser auf die Reihe, Düsseldorf zum Beispiel. Stichwort Verwaltung, Kindergartenplätze etc. In Köln kommt vieles einfach nicht in Gang, andere Städte sind viel mehr auf Zack. In Köln ist viel Placebo – man singt, datt et schön ist, also isset auch schön.

Vielen Dank!

 

Mehr zum Thema:
Jürgen Becker, Jahrgang 1959 und Kölner, lebt seit 20 Jahren im Kölner Süden. Auch seine Mutter ist gebürtige Kölnerin, sein Vater stammte aus dem Bergischen Land, war Kfz-Mechaniker und Kaufmännischer Angestellter bei Daimler-Benz. Daher liebt auch der Sohn Autos, Crashtests und Zweiräder. Auf dem Gymnasium blieb er zwei Mal sitzen, flog von der Schule. Realschulabschluss in Ehrenfeld und Ausbildung als grafischer Zeichner bei 4711 in Köln. Auf dem 2. Bildungsweg schloss er sein Fachhochschulstudium Sozialarbeit ab. Dann Firmengründung: Druckerei, 10 Mitarbeiter.

Dazu findet sich im Buch folgende Passage: „Ich habe im Umgang mit Kunst eine gewisse Übung, weil ich im Erstberuf Grafischer Zeichner bin. Ausbildung bei 4711. Eau de Cologne. ‚Mit Tosca kam die Zärtlichkeit.‘ Obwohl das natürlich Unsinn ist. Mit Tosca kommt keine Zärtlichkeit, das ist eher ein Verhütungsmittel. So trat ich in die Fußstapfen von Albrecht Dürer, dem ersten Künstler, der seinen eigenen Druckereibetrieb eröffnete. Denn vor dem Tosca-Gestank flüchtete ich in die Selbstständigkeit und gründete 1984 mit Kollegen in Köln eine Druckerei: Prima Print am Brüsseler Platz. Im Gegensatz zu Dürer, der als herausragender Maler, Zeichner und Kunsthistoriker vor allem mit seiner Graphik berühmt würde, verließ ich den graphischen Betrieb nach vier Jahren und wechselte die Branche. Danach lief der Laden.“

Hier finden Sie die nächsten Termine von Beckers „Laden“.
 

Text: Elke Tonscheidt

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