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Gesellschaft

„Man muss einfach öfters ins Café gehen“

Freitag, 24. Mai 2019 | Text: Elke Tonscheidt | Bild: Elke Tonscheidt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Nein, repräsentativ ist das nicht. Aber beruhigend, das geben wir gern zu. Denn Elke hat sich ins Coffee Fellows am Chlodwigplatz gesetzt und Gespräche über Europa geführt. Einfach so, weil wir wissen wollten, wie die Stimmung wenige Tage vor der Europawahl so ist. Und? Unser Test hat klar gezeigt: Alle sind pro Europa und werden wählen, zwei hatten es schon via Briefwahl getan.

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Schon als ich auf Facebook bekannt gebe, dass ich dort sitzen werden, gehen die ersten Kommentare ein. Ein Freund aus dem Bergischen meint: „Gehe natürlich wählen. Europa ist meine – unsere Chance ! Komme nicht nach Köln ☺ Lieben Gruß aus dem Tal der Wupper.“ Und eine andere Stimme, diesmal aus dem Kölner Westen, gibt mir mit auf den Weg: „… habe schon gewählt. Genial an der Europawahl ist, dass es keine 5 %Hürde gibt und man somit auch mit gutem Gefühl die kleinen Idealisten wählen kann. Viel Spaß dir gleich!“

Europa muss sich zusammen tun

Und den, also Spaß, hatte ich! Meine 1. Interviewpartnerin nutzt die Chance, als ich mir an der Theke Kaffee hole, den kleinen blauen Tischaufsteller genauer zu betrachten. Dafür ist er ja auch da – und wir kommen gleich ins Gespräch. Ich erfahre von der Juristin, die sowohl bei der Oma in Griechenland als auch in Hessen aufwuchs und seit ihrer Studentenzeit in Köln ist, wie sehr sie die große Identität schätzt, die durch Europa geschaffen wurde. „Ich finde mich in der bunten, fein ziselierten Vielfalt gut wieder“, lacht sie und deutet auf das geometrische Tapetenmuster hinter mir. Für Joanna (Ü40) ist klar: „Die Europäischen Staaten müssen sich zusammen tun in Anbetracht von China oder der USA um zu bestehen.“

„Dann sterben wir, ganz einfach“

Das sieht Thomas (63) ähnlich: „Europa ist die einzige Chance am Leben zu bleiben“, antwortet er mir sofort. Und er meint das wortwörtlich, denn speziell in Deutschland herrsche häufig der Eindruck, uns ginge es zu gut. „Das kann nach hinten los gehen“, meint der in Bayern Geborene. „Dann sterben wir, ganz einfach“, ergänzt er, der seit 1991 in Köln lebt, und er sagt trocken: „Irgendwann werden auch bei uns die Autos brennen.“ Er hält insbesondere das deutsch-französische Verhältnis für so wichtig, dass wir dafür mehr tun müssen.

Europa im Coffee Fellows mit Janina & Melanie

links Janina, rechts Barista Melanie

Im Klimaschutz muss mehr passieren

Meine beiden jüngeren Gesprächspartnerinnen entpuppen sich als Freundinnen. Zunächst habe ich Janina (24) am Tisch, die sich als „nicht krass politisch“ bezeichnet, Europa aber sehr wichtig findet: „Das ist doch ausschlaggebend für mich und irgendwann auch meine Kinder!“ Ihr geht es aber in Sachen Klimaschutz viel zu langsam und deshalb ist ihre Hoffnung, dass die EU zusammen mehr tun könne als jedes Land alleine.

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Ein Gegengewicht zu den Rechtsradikalen

Ich merke, dass sie in Richtung Bar lächelt, wo Melanie (26, gebürtig aus Recklinghausen) als Barista arbeitet. Sie hat gleich Dienstschluss. Hervorragend, denke ich, und bitte auch sie zum Gespräch. Ich erfahre, dass Melanie gemeinsam mit ihrer Vorrednerin auf die Schauspielschule Arturo in der Südstadt geht (https://www.arturo-schauspielschule.de) und hier auch wohnt. Sie geht auf jeden Fall deshalb wählen, um ein Gegengewicht zu den Rechtsradikalen zu setzen. Populismus bereite ihr große Sorge. Zwar könne sie manches Mal schon nachvollziehen, „dass Menschen Hass empfinden“, denn es sei eine Unsicherheit entstanden. Genau deshalb brauche man auch Europa: „Gemeinsam können wir es besser schaffen“.

Europa im Coffee Fellows mit Martin

Martin aus Österreich

„Ich verdiene mein Geld mit Europa“

Mein letzter Gesprächspartner hat sich gerade in eine Zeitung vertieft, aber er lässt sich gerne stören. Das war ohnehin toll im Coffee Fellows, wo eine sehr freundliche Atmosphäre herrscht: Kein Mensch wehrt ab, wenn ich mich heran pirsche. Und so entgegnet auch Martin (Ü50) sofort lächelnd: „Na, da sind Sie ja bei mir richtig, ich verdiene mit Europa mein Geld.“ Das finde ich natürlich großartig, einen Experten gefunden zu haben.

Ganz grob gesagt arbeitet Martin, der in der Südstadt mit seiner Familie lebt, in Brüssel als EU-Lobbyist. Er berät Parlamentarier und erklärt, dass Leute wie er keine finsteren Gestalten seien, sondern dass Politiker gute Beratung zu Expertenthemen schlicht bräuchten. Aber das ist ja auch nicht unser Thema. Jedenfalls ist Martin ein überzeugter Europäer, schon aus Jugendzeiten. Aufgewachsen in Niederösterreich nahe des „Eisernen Vorhangs, gab es auch genug Themen ein politischer Mensch zu werden. Er hat die Wende von 1989 bewusst erlebt und findet es als Bürger „zu gefährlich, mich nur auf meine direkte Regierung im Land verlassen zu müssen“.

Frische Luft durch geöffnete Fenster

Dabei spielt er auf die (zum Zeitpunkt unseres Gesprächs noch existierende!) Regierungskoalition in Wien an und setzt nach: „Aus österreichischer Sicht natürlich besonders…“ Ihm macht die „Methode der ständigen Grenzüberschreitung“, wonach viele Politiker heute verführen, Sorge, denn „irgendwann akzeptieren die Leute das.“ Und bezogen auf sein Heimatland erläutert der Politikberater: Auch gute Verwaltungssysteme, die super funktionierten, würden von „frischer Luft durch geöffnete Fenster“ profitieren. Die Arbeitsgruppen in Brüssel arbeiteten heute anders – es sei ein Benchmark entstanden, weil man durch das Ausprobieren guter Sachen die Qualität erhöhe. Politik in Europa – für Martin ein Gewinn, denn sonst wären die Prozesse in den einzelnen Regierungen „zu eingefahren“ geblieben.

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Dank an alle, die Zeit für ein Europa-Gespräch hatten

Noch länger hatte ich mich mit manchem Gesprächspartner unterhalten können. An alle geht mein großer Dank und das Lob sich Zeit genommen zu haben. Mit Joanna zum Beispiel hätte ich noch stärker das Thema Steuergerechtigkeit besprechen können, das ihr ein ganz großes Anliegen ist. Sie findet, dass Deutschland hier in Europa viel stärker dafür sorgen müsse, entsprechende gesetzliche Grundlagen für alle zu schaffen.

Das könnte man vertiefen, gewiss. Und ich freue mich, als mir Martin hinterher ruft: „Man muss einfach öfters ins Café gehen.“ Probiert es mal aus – sprecht Leute an, die meisten beißen nicht ☺ und freuen sich über ernst gemeinte Gesprächsangebote!

Text: Elke Tonscheidt

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Kommentare

  • Andersdenker sagt:

    Propaganda at it’s best! Lässt sich das toppen? „Yes, EU can!“ wie Kasper Gerd von den unfreien Demokraten die letzten Tagen großflächig in Köln verbreiten liess.

    Und hier die satirische Wahrheit (oder die wahre Satire?):

    https://www.youtube.com/watch?v=LPJkHmgR6a0

  • breakfastlunchdinner sagt:

    Der nette Lobbyist von nebenan und Weltuntergang falls wir nicht ne CO2-Steuer beschließen. Die Südstadt badet mal wieder in ihrem eigenen Weltanschauungs-Sud. Hauptsache verpackungsfreies Müsli, welche Konzerne sich da die Gesetze schreiben, wer will da schon so genau hinsehen. Stattdessen erfährt man: Wer gegen EU-Lobby ist, ist automatisch auch gegen Europa und Populist und überhaupt suspekt und nicht auch eigentlich rechtsradikal…? Sowas kann man auch nur denken, wenn man am Chlodwigplatz seinen glutenfreien Moccachino schlürft und nicht sofort für so einen Mist wie „EU ist unsere letzte Chance sonst sterben wir alle“ vom Publikum ausgelacht wird. Wie wär’s mal mit einer Partei mit dem Slogan: Fuck hope! People suck! Da könnte man sich zumindest sicher sein, dass keine Lobbyisten ihre Aktien drin haben.

  • Elke sagt:

    „Weltuntergang falls wir nicht ne CO2-Steuer beschließen“ ?? Ich greife mal nur ein Argument auf. Beides erwähne ich, die die Interviews geführt hat, nicht, aber scheinbar liest „man“ es so? Finde ich schade, denn meine Interviewpartner haben differenziert geantwortet, obwohl ich natürlich dann nur Teilaspekte aufschreiben kann. Manchmal beschleicht mich aber das Gefühl, dass Kommentatoren nur ihren Frust raus hauen wollen und gar nicht richtig inhaltlich einsteigen auf das, was gesagt wird. Darf sein, klar, ist aber durchschaubar…

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