Tradition und frischer Wind
Montag, 21. Juni 2021 | Text: Evelyn Maria Denda | Bild: Mainzer Hof/privat
Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Der Sommer kommt – und wir können nach langer Corona-Durststrecke unser Kölsch wieder im Freien genießen. Grund genug, dass sich meinesuedstadt.de im Veedel und seinen Lokalen umsieht. Da haben wir gleich einmal mit dem Team vom Mainzer Hof gesprochen. Gudrun Goerke, Tom Volkenrath, die beiden Betreiber, und Yannik Butze, langjähriger Mitarbeiter, erzählen uns von besonderen Momenten, Corona, und einen spannenden Frühsommer, der vor der Tür steht.
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cambio CarSharing„Es ging ab wie die Luzie“
Bereits seit 1984 gibt es den Mainzer Hof im Veedel, entstanden aus einer „kleinbürgerlichen Eck-Kaschemme, zu der Zeit, als das Leben in der Südstadt anfing, zu pulsieren. Und auch bei uns ging es damals dann innerhalb eines halben Jahres ab wie die Luzie“, so Tom, der von Anfang an als „Hobby-Angestellter“ dabei war, bevor er den Betrieb 2004 offiziell mit Gudrun Goerke übernahm. In 36 Jahren hat er keinen Karneval im Mainzer Hof verpasst und nur einmal ein Silvester nicht dort verbracht. „Mein Enkel hat letztes Jahr zu meiner Tochter gesagt, als sie am Mainzer Hof vorbeigegangen sind, „Guck mal, da wohnt Opa.“ Und Gudrun fügt hinzu: „Wenn wir nicht gerade in Urlaub sind, verbringt Tom jeden Abend hier.“ Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: „Damals wie heute bin ich als Ehemann der Betreiberin dabei. Die Ehefrau hat gewechselt, mein Business ist dasselbe geblieben.“
Auch wenn sich der Mainzer Hof im Laufe der Jahrzehnte mit der Südstadt verändert hat, sein Stil mit einem bunt gemischten Publikum ist geblieben. „Im Zentrum stehen eine günstige Küche und eine Theke, die Jung und Alt gerne bedient,“ erzählt Tom.
Drei Südstadtpflanzen vor und hinter der Theke
Tom, Gudrun und Yannik sind alle drei in der Südstadt verwurzelt. „Man kommt immer wieder gerne zurück, denn es ist einfach schön hier“, sagt Yannik, der nur während seiner Ausbildung außerhalb der Südstadt gelebt hat. Auch Gudrun hat das Veedel nie lange verlassen. „Obwohl ich es früher manchmal etwas zu dörflich fand. Zum Beispiel, wenn die Bäckerin nach dem Grund fragte, warum man sonntasgmorgens vier anstelle von zwei Brötchen kauft. Aber die Südstadt ist immer meine Heimat geblieben. “ Tom ergänzt: „Südstadt ist Heimat, denn hier dauert das Brötchenholen samstags zwei Stunden, weil man an jeder Ecke einen anderen Freund trifft.“ Und auch der Mainzer Hof ist für ihn „Heimat, Heimat, Heimat.“
Rote Leuchtreklame, Schnitzel, gute Atmosphäre und mehr
Bis heute vermittelt die – inzwischen historische – rote Leuchtreklame über dem Eingang des Mainzer Hofs ein Gefühl von Daheim-Sein. „Mit der Übernahme des Lokals 2004 haben wir zunächst die Küche verändert. Unsere Schnitzel sind seitdem der Hit,“ verrät Gudrun. Allerdings finden die Gäste heute auf der Karte auch Vegetarisches und viel saisonales und regionales Essen, Prädikat: nachhaltig und bio. Neben der Gans an Weihnachten, Yanniks Lieblingsgericht, finden sich zur besonderen Freude von Gudrun auch stets Fischgerichte auf der Karte. Mutige unter uns können sich einmal an den Hasenpfeffer wagen – näheres zu einem von Toms Leibgerichten sei hier nicht verraten.
Serviert wird stets zusammen für Jung und Alt. „Dabei sind Theke und Gastraum ein bisschen getrennt, jeder Raum mit einer entspannten Atmosphäre“, sagt Gudrun. Und ergänzt: „Natürlich spielt auch unser Personal eine wichtige Rolle. Es kennt einen Großteil der Gäste persönlich und ist zumeist schon sehr lange bei uns. Für unsere Stammgäste sind wir so oftmals zu deren Wohnzimmer geworden.“ Ein Wohnzimmer, das im Laufe der Zeit die Einheitsfarben braun gegen einen Vintage und Shabby-Look mit Papageientapete ausgetauscht hat – zur absoluten Freude der Gäste. Das besondere Flair bestätigt auch Dana Stepanek, Stammgast im Mainzer Hof seit vielen Jahren: „In meinem ersten Wohnzimmer spielen die familiäre Atmosphäre, das ehrlich Kultige und das Personal perfekt zusammen. Was mich auch überzeugt ist das leckere abwechslungsreiche Essen zu fairen Preisen.“
Von Psychiatern, Weitgereisten und Bierduschen
Die Lebensgeschichten, die der Mainzer Hof geschrieben hat, aber auch solche, die dort erzählt wurden, schätzt Gudrun besonders. „Man ist ja auch immer ein bisschen Psychiater hinter der Bar“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. „Als Wirt muss man sich immer etwas zurückhalten, denn oft ist man ja auch Vertrauensperson für all die Dinge, die man erfährt,“ fügt sie hinzu. Denn: „Das, was man in der Gastronomie, erlebt, wird ein Leben lang prägen.“ Und so beschreibt sie den Mainzer Hof in drei Worten: „Spaß, Laune, Lebensgeschichten.“ Besondere Momente, mitunter auch skurrile, erinnert das Team viele. So stand vor einigen Jahren ein mit Reisekoffern bepacktes Paar an der Theke und fragte nach dem Zimmerschlüssel. Des Rätsels Lösung liegt in der Tücke des Namens, denn der Mainzer Hof hat seinen Namen wegen der Lage in der Mainzer Straße. Aber auch in Mainz gibt es einen Mainzer Hof, dort allerdings mit angeschlossenem Hotelbetrieb. Das kölsche Mainzer-Hof-Team hat dann dafür gesorgt, dass die verirrten Gäste eine Unterkunft im Veedel bekamen. Von Bierduschen weiß Tom zu erzählen. So stolpert einmal eine der Kellerinnen und begießt die Stammgäste mit drei Liter Weizenbier. Diese nehmen es mit Humor – als sie das nächste Mal in den Mainzer Hof kommen, bitten sie die Kellnerin kurz zu warten und ziehen sich zunächst alle Südwester und Ostfriesennerze an, die sie bis oben zuknöpfen„Genau dieser Humor macht unsere Stammgäste aus“, so Tom.
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Klemmer-Roth: Bestattungen und Trauerbegleitung in der SüdstadtSchönes und Tragisches
Neben vielen schönen Ereignissen, zu denen der Karneval laut den dreien gleich doppelt zählt, bleiben auch traurige Erlebnisse in Erinnerung. So trat im letzten Jahr ein Stammgast an Gudrun und Tom heran und bat sie, die Trauerfeier für seine verstorbene Frau auszurichten. Trotz einiger organisatorischer Hürden macht das Team dies möglich. „Wir waren seine letzte Hoffnung und konnten so sein Anker in einer schweren Stunde sein“, sagen Gudrun und Tom, die dieses Ereignis bis heute sichtlich berührt.
Zurück zu den schönen Ereignissen: Fastelovend im Mainzer Hof. Da sind sich alle einig: „Die Kölsche Musik, die Mannschaft und das jederzeit verfügbare Kölsch machen jeden Karnevalstag zu einem Erlebnis im Mainzer Hof. Nicht zu vergessen die neuen Bekanntschaften – aus denen nicht selten Freundschaften entstehen – und netten Gespräche in der Schlange vor der Türe“, berichtet Stammgast Dana und das Team pflichtet ihr bei. Schon jetzt fiebern alle auf die nächste Session hin, die hoffentlich nicht mehr durch die Pandemie gebremst sein wird.
Große Freude, dass das Leben ins Veedel zurückkommt
Für den Sommer hofft das Team, „dass kein neuer Lockdown kommt und wir gutes Wetter haben. Denn die Leute freuen sich ohne Ende, dass nun die Gastronomie endlich wieder öffnet“, so Yannik. Um sie auch draußen gut bewirten zu können, wünscht sich Tom verlässliche Zusagen von der Stadt Köln. Verändert haben sich die Gäste während des Lockdowns nicht großartig – „am ersten Tag waren 80 Prozent Stammgäste hier. Die anderen 20 Prozent sind gefühlt etwas jünger geworden – oder ich älter“ scherzt Yannik.
Generationswandel im Sommer
Der Mainzer Hof selbst steht vor einem Wandel. Denn – „Tom und ich gehen in Rente“, verrät Gudrun. „Aber die nächste Generation ist schon mit im Boot: Yannik übernimmt ab 1. Juli das Ruder. Mit ihm haben wir einen tollen Nachfolger gefunden, er wird den Laden genauso oder noch besser rocken – wenn er möchte mit unserer Hilfe. In seinen zwei Jahren in der Festanstellung hat er schon viel mitbekommen. Denn in der Gastronomie verdienst du das Geld am Schreibtisch, nicht an der Theke.“ Und Tom ergänzt: „So ist es eine Win-Win-Situation: Ich kann mich weiterhin hier hinsetzen und ein Bierchen trinken, ohne arbeiten zu müssen.“
Ebenso wie Gudrun hat Yannik auch schon im Mainzer Hof gekellnert und hier vor mehr als zwölf Jahren seine Karriere in der Gastronomie begonnen. Noch heute erinnert er sich an seinen ersten Tag im Mainzer Hof – und sieht ihn rückblickend nicht nur als einen seiner schönsten Momente im Mainzer Hof, sondern auch als ein gutes Omen: „Ich war sehr aufgeregt und habe mich bei den Gästen immer entschuldigt, dass es mein erster Einsatz in der Gastro sei. Am Ende des Abends hatte eine Familie, die ich bediente, auf eine Serviette geschrieben – Danke Yannik, es war ein toller erster Tag von dir. Das hat mich sehr gefreut.“ Große Veränderungen plant er erstmal nicht. Denn „die Leute kommen ja, weil der Laden ist, wie er ist – gemütlich, humorvoll und lecker,“ sagt er. Wir wünschen Gudrun und Tom einen entspannten Ruhestand und Yannik viel Glück!
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